Fahrradreise Südöstliches
Europa
Ein Reiseerlebnisbericht
von Manfred Suchan
Dieser Reiseerlebnisbericht beinhaltet die Erlebnisse, Erfahrungen und Reflektionen meiner Fahrradreise vom 14. Juni 2023 bis zum 27. November 2023 durch die südöstliche Europa-Region.
Einleitung
Vom 14. Juni 2023 bis zum 27. November 2023 habe ich eine Fahrradreise durch die südöstliche Europa-Region unternommen. Auch jetzt war ich wieder mit Fahrrad und Zelt unterwegs. Bestandteil meiner Fahrradreisen sind zahlreiche Besichtigungen und Museumsbesuche. Fahrradreisen mit Zelt unternehme ich seit meiner Schulzeit. Während wir in einer permanent beschleunigten Gesellschaft zunehmend naturentfremdet in künstlichen Umwelten und virtuellen Realitäten leben, bietet das Fahrradreisen mit Zelt eine entschleunigte Reiseform, die eine für Wahrnehmungs- und Erkenntnisprozesse erforderliche Unmittelbarkeit und Authentizität des Reiseerlebnisses ermöglicht. Heute verfehlt Tourismus weitgehend seine ursprüngliche Intention von Welterfahrung und Welterkenntnis, denn die Tourismus-Industrie ist Bestandteil der Konsumkultur, und sie vermarktet Ablenkungen, Zerstreuungen und seichte Vergnügungen. Fahrradreisen mit Zelt ist eine Alternative. Fahrradreisen mit Zelt ist zudem eine sehr kostengünstige Form des Reisens, sie ist nicht exklusiv und nicht elitär, sondern demokratisch, denn jeder und jede kann sie praktizieren, um den „Kopf zu lüften“ und den Horizont zu erweitern. Zudem ist das Fahrradreisen naturverträglich und globalisierbar, in Gegensatz zum KFZ-Verkehr.
Eine kurze Rucksackreise durch Teile des südöstlichen Europas hatte ich im Jahre 2014 durchgeführt, bei der ich durch Österreich, die Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Nordmazedonien, Kosovo, Albanien, Montenegro, Bosnien, Serbien und Kroatien gereist bin, doch seither bestand meine Absicht, eine längere Südost-Europa-Reise mit dem Fahrrad zu unternehmen. Diese beabsichtigte Fahrradreise durch das südöstliche Europa sollte einen Umfang haben, der sich logistisch noch sinnvoll bewältigen läßt, denn auf meinen Fahrradreisen nehme ich für sämtliche bereiste Regionen und Länder detaillierte Reiseführer (1) und Landkarten mit, da der Erkenntnisgehalt und die Qualität einer Reise insbesondere von der Qualität und Quantität der verfügbaren Reiseinformationen abhängen. Dadurch wird auch die sinnvolle maximale Länge und Dauer einer Fahrradreise limitiert. Größere Fahrradreisevorhaben, wie z.B. eine Weltreise an einem Stück, etwa im Stile eines Marco Polo, halte ich insbesondere aus derartigen organisatorischen und logistischen Gründen für ungeeignet, und es ist sinnvoller, große Fahrradreisevorhaben in überschaubarere und besser planbare kleinere Reisevorhaben aufzuteilen. Mittlerweile bin ich zu der Auffassung gelangt, daß es auch sinnvoller gewesen wäre, die in diesem Jahr 2023 von mir durchgeführte Fahrradreise durch das südöstliche Europa in zwei separate Teile aufzuteilen, und schon in den Jahren zuvor hatte ich meine Fahrradreisen durch verschiedene geographische Regionen in zwei oder mehr separate Teile aufgeteilt: Skandinavien 2011, 2012 und 2015, die Ostseeregion 2009, 2014 und 2017, die Alpenregion 2015, 2016 und 2021, das östliche Mitteleuropa 2014, 2019 und 2021, sowie die südliche Nordseeregion 2020 und 2022.
Bezüglich der gewählten Reiseroute für diese intendierte Fahrradreise durch das südöstliche Europa sah meine erste Planung vor, dem Verlauf der Donau entlang des Donau-Radweges (= Eurovelo 6) (2) zu folgen, um vom mittleren Europa zum südöstlichen Europa zu gelangen, und in Form einer Rundreise wollte ich dann im Uhrzeigersinn durch das südöstliche Europa radeln. Diesen Plan habe ich im Folgenden verschiedentlich abgeändert, insbesondere, um überwiegend durch Gegenden zu gelangen, die ich auf meinen Reisen bislang noch nicht kennengelernt habe. Gefahren bin ich dann auf meiner Fahrradreise die im Folgenden kurz skizzierte Reiseroute: Meine Fahrradreise durch das südöstliche Europa startete ich in Berlin und fuhr entlang dem Elbe-Radweg (= Eurovelo 7) (3) durch Sachsen nach Tschechien und weiter durch die Slowakei, das östliche Ungarn, Rumänien, Bulgarien, den Nordwesten der Türkei und erreichte nach rd. 4.500 km Fahrt die Megacity Istanbul am Bosporus. Von dort setzte ich meine Fahrradreise entlang der Südküste des Marmarameeres hin zur Meerenge der Dardanellen fort. Weiter fuhr ich durch Nord-Griechenland, Nord-Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien und Österreich und gelangte zurück nach Berlin.
Meine Fahrradreise durch das südöstliche Europa startete ich am 14. Juni 2023. Doch eigentlich wollte ich diese Fahrradreise schon früher im Jahr beginnen. Es bestand jedoch das Problem, daß die Reisebedingungen aufgrund der fortdauernden sogenannten "Corona-Krise" auch im Jahr 2023 lange unklar gewesen sind. Ich hatte dann eine Recherche durchgeführt, um mir einen Überblick über die weltweite aktuelle Lage und über aktuelle Reisebedingungen zu verschaffen. Umfassende Informationen hielt ich vor einem Reisebeginn für unabdingbar, da zum Einen bis heute kein offizielles Ende der sogenannten "Corona-Krise" erklärt worden ist und in verschiedenen Ländern das Reisen einschränkende Auflagen und Maßnahmen weiter fortbestehen, und zum Anderen bei mir der Erfahrungshintergrund meiner zweiten Südamerika-Reise im Frühjahr 2020 besteht, die aufgrund des unter dem Vorwand der sogenannten "Corona-Krise" errichteten globalen Maßnahmenregimes scheiterte, wovon ich in meinem Texte: "Impressionen in Zeiten der 'Corona-Krise' - Ein Reisebericht aus Südamerika" berichte. Aufgrund dieser auch in diesem Jahr 2023 unklaren und unsicheren Verhältnisse bezüglich Reisemöglichkeiten und Reisefreiheit habe ich mich auch in diesem Jahr 2023 auf eine Fahrradreise in Europa beschränkt und habe angedachte Reisevorhaben außerhalb Europas und nach Übersee erneut zurückgestellt.
Der vorliegende Reiseerlebnisbericht meiner Fahrradreise durch das südöstliche Europa besteht aus zwei Teilen: einem ersten, der mein Konzept des Fahrradreisens als eine Methode der Erfahrung und der Erkenntnis vorstellt. Der zweite Teil stellt den Verlauf der Reise dar, wobei einzelne Themen, die ich auf der Reise angetroffen habe und mit denen ich mich eingehender befaßt habe, ausführlicher behandelt werden.
Teil 1: Fahrradreisen als Erkenntnismethode
Das Reisen mit dem Fahrrad ist nicht nur eine Form der Fortbewegung und ein Stil des Reisens, es ist darüber hinaus vielmehr eine Methode der Wahrnehmung, Erfahrung und Erkenntnis von „Welt“, „Natur“ und „Wirklichkeit“, die eine große Unmittelbarkeit und Authentizität ermöglicht. Der Reisestil und die Reiseart sind zugleich Wahrnehmungs- und Erkenntnismethode, um den Forschungsgegenstand, die historisch gewachsene Natur- und Kulturlandschaft, erfassen und „lesen“ zu können. Dafür darf man die Landschaft nicht motorisiert durchhasten, sondern es bedarf eines angemessenen, unmittelbaren Reisestils und einer angemessenen Geschwindigkeit. Auch das Übernachten im Zelt inmitten der Landschaft ermöglicht weitere Unmittelbarkeit und direkte, unverfälschte Wahrnehmungs- und Erkenntnismöglichkeiten.
Wir leben heute zunehmend in künstlichen und virtuellen Welten, die unsere Wahrnehmungen und Erfahrungen prädisponieren, prägen und formen. Hinzu kommt die Konsumkultur, die Ablenkungen, Zerstreuungen und seichte Vergnügungen produziert und vermarktet, sowie die permanente Beeinflussung durch Massenmedien einer Massengesellschaft. In einer permanent beschleunigten Gesellschaft durchhasten wir automobil die Landschaften, die abgeschirmt von unseren sinnlichen Wahrnehmungen lediglich durch die Windschutzscheibe flüchtig zur Kenntnis genommen werden. Jegliche Intensität und Authentizität der Wahrnehmung von „Welt, „Natur“ und „Wirklichkeit“ ist in der fortgeschrittenen Industriegesellschaft verloren gegangen, und dies erreicht nun im angebrochenen digitaltechnischen Zeitalter gänzlich neue Außmaße, Intensitäten und Qualitäten der Entfremdung des Menschen. Es zeichnet sich ab, daß im digitaltechnischen Zeitalter das Individuum gänzlich ein Objekt von Überwachung, Kontrolle und Manipulation werden wird.
Es ist bekannt, daß in der Wissenschaft die Wahl der angewandten Methoden und das Erkenntnisinteresse der Forschenden die zu erzielenden wissenschaftlichen Ergebnisse prädisponieren, mitbestimmen und prägen, und wissenschaftliche Objektivität und methodische Exaktheit zwar postuliert, realiter aber nur begrenzt möglich sind. Hierzu kommt das Diktat der Herrschenden Meinung (HM), das nicht nur die öffentliche Meinung bestimmt, sondern gleichfalls den gesamten etablierten Wissenschaftsbetrieb, sodaß die viel beschworene Wissenschafts- und Forschungsfreiheit zwar auf dem Papier steht, doch tatsächlich bestimmen die Interessen staatlicher und nichtstaatlicher Akteure und Lobbyisten und deren Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiepolitik den Universitäts-, Wissenschafts- und Forschungsbetrieb. Mit der sogenannten „Bologna-Reform“ wurde der Universitäts- und Wissenschaftsbetrieb im gesamten EUropa gleichgeschaltet, und dieser ist seither ein Anhängsel des Wirtschaftsprozesses im europäischen Großwirtschaftsraum, der von der Europäischen Union verwaltet wird. Heute sitzen Wissenschaftler in Bibliotheken, Archiven und Laboren, und kaum jemand verläßt diese Komfortzone des Elfenbeinturms, um selbst in Erfahrung zu bringen, wie die Welt beschaffen ist und was in der Welt der Fall ist.
Für den geo- und biowissenschaftlich sowie historisch-anthropologisch Kundigen ist die Landschaft ein aufgeschlagenes und zu lesendes Geschichtsbuch, und der Boden ein Archiv der Geschichte der Erde, der Natur und der Menschheit. Doch die Landschaft zu „lesen“ vermag nur der, der sich darum bemüht und diese nicht mit Ignoranz durchhastet. Eine geeignete Form des Reisens und ein angemessener Reisestil ist eine Voraussetzung, wie es z.B. Fahrradreisen, Wandern und Reisen mit dem Kanu ermöglichen. Die Reiseart und die Fortbewegungsform sind ebenso wie der Aufenthalt in der Natur zu allen Tages- und Jahreszeiten zugleich wesentliches Wahrnehmungsmittel sowie Erfahrungs- und Erkenntnismethode. Diese methodische Praxis hebt zugleich ein Stück weit die Entfremdung des modernen Menschen von der Natur auf. In wesentlichen Teilen kann diese methodische Praxis auf Fridtjof Nansen (1861-1930) und sein Konzept des „Friluftsliv“ (Freiluftleben) zurückgeführt werden (4). Die Entfremdung von der Natur ist eine Entfremdung von unserem blauen Planeten als einem lebenden dynamischen System, mit dem der Mensch über einen gemeinsamen evolutions-ökologischen Prozeß aufs Engste verbunden ist, und was von unserem modernen, evolutions-ökologisch fundierten geodynamischen Weltbild zum Ausdruck gebracht wird.
Doch unsere fortgeschrittene Industriegesellschaft löscht überall, wo sie tätig wird, unwiederbringlich sämtliche in der Landschaft und im Boden enthaltene Informationen, indem sie die Landschaften planiert und zweckrational umgestaltet und das gesamte, die Landschaft bildende Substrat, also die Pedo- und Lithosphäre, zu einer amorphen Matrix durchmischt, nutzlos für zukünftige Wissenschaften. Der Lärm, den die Industriegesellschaft bei der Umwandlung der Landschaften, der Natur und der Gesellschaften in gleichförmige und sterile Monokulturen permanent erzeugt, ist bis in die entferntesten Periferien omnipräsent, er beeinträchtigt jegliches Nachdenken und man kann sich diesem nirgendwo entziehen.
Methodische Hilfsmittel, insbesondere zur Dokumentation der Reise, sind eine Digitalkamera und insbesondere mein Notizbuch. Das Notizbuch ist das zentrale Medium der Dokumentation, Reflektion und Erkenntnisgewinnung in meiner Reise- und Lebenspraxis. M.E. ist das Notizbuch eine der bedeutendsten und wertvollsten Kulturtechniken, denn es ermöglicht, das gesamte Leben als einen fortschreitenden und zusammenhängenden Erfahrungs- und Erkenntnisprozess zu gestalten und zu organisieren. In Form der Kulturtechnik des Notizbuches wird deutlich erkennbar, daß sich die Schrift und das Schreiben von ihrem ursprünglichen Entstehungszusammenhang als bürokratische Verwaltungs- und Herrschaftstechnik in den alten Hochkulturen vollständig emanzipiert hat und zu einem Mittel der Reflektion und Erkenntnisgewinnung geworden ist. Das Schreiben war schon im alten Griechenland zu einer Kulturtechnik entwickelt worden, mit der Menschen über Jahrhunderte hinweg miteinander kommunizieren konnten. Im Zuge der voranstürmenden Digitaltechnischen Revolution wird voraussichtlich zukünftig das Notizbuch als der letzte Zufluchtsort geistiger Freiheit verbleiben.
Meine Reisenotizen in meinem Notizbuch bilden die Grundlage für die Verfassung weiterer Texte, wie z.B. dem vorliegenden Reiseerlebnisbericht sowie Texten zu verschiedenen Einzelthemen, mit denen ich mich im Rahmen der jeweiligen Reise befaßt habe, und dies insbesondere, weil mir diese Themen während der Reise wiederholt begegnet sind. Grundlage dafür ist, daß ich meine Reisen weitgehend offen bezüglich der Themen und der Ergebnisse beginne. So liegt bei Reisebeginn auch die Reiseroute nicht detailliert fest, sondern nur die geografische Region, die ich auf der jeweiligen Reise bereisen und kennenlernen will. Somit bereise ich auch keine Länder, sondern von mir definierte und ausgewählte geografische Regionen, und dies ist eine Frage der wissenschaftlichen Kategorienbildung und der Klassifizierung.
Schon die menschliche Sprache ist ein System der Kategorienbildung: Die von den in die Welt hineingeworfenen Menschen vorgefundene unermeßliche, unendlich vielfältige, unüberblickbare, unverstandene und unbegriffene Natur wird mittels der Sprache in einzelne Begriffe zergliedert, womit die unendliche und unüberblickbare Vielfalt der Natur handhabbar und zugleich kommunizierbar wird. Dieser Prozeß der Kategorienbildung ist eine radikale Reduktion der unendlichen Vielfalt in der Natur, um diese für die Begrenztheit des menschlichen Denkens verständlich und begreifbar zu machen. Es entsteht somit immer nur ein reduziertes Erklärungsmodell von „Natur, „Welt“ und „Wirklichkeit“, was jedoch niemals in der Lage ist, „Natur“, „Welt“ und „Wirklichkeit“ vollständig und endgültig zu erfassen und zu repräsentieren. Daher läßt sich das vom begrifflichen Denken gelieferte Modell der Wirklichkeit nicht mit der Wirklichkeit selbst gleichsetzen. Verschiedene Kulturen haben im Verlauf der Menschheitsgeschichte verschiedene Erklärungsmodell von „Natur, „Welt“ und „Wirklichkeit“ entwickelt, was ein Bestandteil der kulturellen Vielfalt der Menschheit ist, und diese wandeln sich im Laufe der Zeit. Auch unsere wissenschaftlich fundierten Erklärungsmodelle von „Natur, „Welt“ und „Wirklichkeit“ verändern sich im Laufe der Zeit, z.B. im Rahmen einer „wissenschaftlichen Revolution“ (5).
Kategorienbildung ist eine Grundlage einer jeden wissenschaftlichen Disziplin, und es stellt sich die Frage, was die Wissenschaftlichkeit einer wissenschaftlichen Kategorienbildung ausmacht: Jede wissenschaftlichen Kategorienbildung in jeder wissenschaftlichen Disziplin muß nach signifikanten, nachvollziehbar und überzeugend begründeten Kriterien erfolgen. Im Rahmen meiner Reisen erfolgt diese Kategorienbildung insbesondere nach natur- und kulturgeografischen Kriterien. Die weitgehende Offenheit der Reise bezüglich Reiseroute und Themen ist eine Grundlage dafür, daß die Reise den Charakter eines ergebnisoffenen Lern- und Erkenntnisprozesses hat, dessen Bestandteil die Reiseerlebnisse und die Reiseerfahrungen sind, womit Aspekte der Erlebnispädagogik (6) Berücksichtigung finden.
Teil 2: Verlauf meiner Fahrradreise durch das südöstliche Europa
Im Folgenden stelle ich meine Fahrradreise durch das südöstliche Europa und meine Reiseerlebnisse ausführlicher dar, wobei ich einige markante Themen hervorhebe und umfangreicher ausführe:
Meine Fahrradreise durch das südöstliche Europa beginne ich am 14. Juni 2023 vor meiner Haustüre in Berlin, wo ich auch schon einen Teil meiner Fahrradreisen in den Jahren zuvor begonnen hatte. Die Metropole Berlin verlasse ich auf dem Mauerradweg (7) entlang des Teltow-Kanals. Hinter der Berliner Stadtgrenze, entlang der bis 1989 die Berliner Mauer verlief, beginnt auch heute noch mit einer markanten Bebauungs- und Siedlungsgrenze abrupt der Ländliche Raum. Eine suburbane Zersiedlung der Berlin umgebenden Agrarlandschaft hat bislang kaum stattgefunden. Über holprige Betonplattenwege gelange ich durch eine flurbereinigte, monotone, großflächige Agrarlandschaft, die durch die Industrialisierung der Landwirtschaft in der DDR geschaffen wurde. Weiter fahre ich durch den Fläming. Die Landschaft ist hier durch ausgedehnte gleichförmige Kiefern-Monokulturen geprägt, in denen es umfangreiche Reste ehemaliger Militäranlagen gibt, die langsam verfallen. Ein großer Teil dieser ehemaligen Militäranlagen wurde vom sowjetischen Militär (8) genutzt, bis dieses im Jahre 1994 vollständig abgezogen wurde. Dieser Abzug des sowjetischen Militärs war im Rahmen des Zwei-plus-Vier-Vertrages (9) bis zum 31. Dezember 1994 vereinbart worden. Während die KSZE (10) in ihrer Charta von Paris (11) im November 1990 den Ost-West-Konflikt für beendet erklärte, der Warschauer Pakt am 1. Juli 1991 aufgelöst wurde (12) und das sowjetische Militär aus der östlichen Hälfte Europas abgezogen wurde, wurde jedoch die Zusage, die Nato nicht nach Osten auszuweiten, nicht eingehalten (13). Bei Torgau erreiche ich die Elbe und fuhr entlang dem Elbe-Radweg (= Eurovelo 7) durch Sachsen nach Tschechien.
Waldsterben in den Sudeten
Bei der Stadt Děčín/Tetschen verließ ich den Elbe-Radweg. Bei meinen Fahrradreisen durch Teile des östlichen Mitteleuropas in den Jahren 2019 und 2021 war ich nördlich der Sudeten entlanggefahren. Jetzt fuhr ich an der Südseite des Riesengebirges entlang und besuchte dabei auch die Stadt Hradec Králové/Königgrätz. Hier und in der Umgebung hatte es während des Preußisch-Österreichischen Krieges (14) am 03.07.1866 die Schlacht bei Königgrätz gegeben, die als die zweitgrößte Schlacht des 19. Jahrhunderts gilt. Der Preußisch-Österreichgische Krieg des Jahres 1866 war nicht der erste Krieg zwischen Preußen und der Habsburger-Monarchie gewesen, ihm gingen die drei Schlesischen Kriege in den Jahren 1740 bis 1763 (15) voraus. In der gesamten Umgebung der Stadt Hradec Králové/Königgrätz erinnern zahlreiche Denkmäler und Grabstätten an dieses historische Ereignis des Jahres 1866, und zahlreiche Infotafeln erklären in vier Sprachen (Tschechisch, Englisch, Deutsch, Polnisch) zahlreiche Details des Geschehens. Die in der gesamten Landschaft anzutreffenden zahlreichen detaillierten Infotafeln und die vielen Erinnerungs- und Gedenkorte zeigen auf, daß hier große geschichtswissenschaftliche und archäologische Anstrengungen geleistet werden, um die Ereignisse des Jahres 1866 zu rekonstruieren und aufzuklären. Im Dorf Chlum gibt es zu diesen historischen Ereignissen ein „Kriegsmuseum 1866“ (16) mit einem benachbarten Aussichtsturm. Die Ausstellungen des Museums gliedern sich im Wesentlichen in zwei Teile, wobei der Ausstellungsteil im Erdgeschoß die historischen Umstände und Rahmenbedingungen der Ereignisse des Jahres 1866 zum Thema hat, während ein weiterer Ausstellungsteil im Untergeschoß Aspekte und Einzelheiten der Schlacht bei Königgrätz am 03.07.1866 darstellt. In Anbetracht der Ereignisse des (extremen) 20. Jahrhunderts gelangt das 19. Jahrhundert oft in den Hintergrund und wird kaum wahrgenommen (abgesehen von der Ära der Napoleonischen Kriege), sodaß es aufschlußreich ist, daß hier bedeutende Ereignisse des 19. Jahrhunderts ausführlich dargestellt werden. U.a. wird im Museum darauf verwiesen, daß die Ereignisse des Jahres 1866 als Bestandteil der Vorgeschichte des Ersten Weltkriegs angesehen werden sollten. Beachtenswert ist der Umstand, daß der Krieg des Jahres 1866 Seuchen zur Folge hatte: Eine Cholera-Epidemie forderte alleine in der Habsburger-Monarchie ca. 120.000 Todesopfer, was die Zahl der Kriegstoten der Schlacht bei Königgrätz mit ca. 55.000 Todesopfern deutlich übertrifft. Vergleichbares ereignete sich dann in größerem Maßstab während des Ersten Weltkrieges, der die sogenannte „Spanische Grippe“ zur Folge hatte mit ca. 25 bis 50 Mio. Todesfällen weltweit (17).
Weiter fuhr ich durch den Glatzer Kessel zum Altvatergebirge (18). Das Riesengebirge und das Altvatergebirge sind Bestandteil des Gebirgszuges der Sudeten (19), der ca. 310 km lang und 30 bis 50 km breit ist. Im Altvatergebirge unternahm ich am 02.07.2023 eine Fahrrad-Exkursion in die Gipfelregion, wobei ich die höchste Erhebung des Altvatergebirges, den Altvater/Pradet (1491 m) erreichte. Vergleichen wollte ich die Hochlagen des Altvatergebirges mit denen des Riesengebirges. Zuletzt war ich im Jahre 2019 während einer Fahrradreise durch Schlesien im Riesengebirge gewesen und war dort am 26.09.2019 auf die Schneekoppe (1603 m) (20) gelangt, dem höchsten Berg des Riesengebirges. Das Riesengebirge ist ein Naturschutzgebiet, das als Nationalpark (Karkonoski Park Narodowy) geschützt ist (21). Im Riesengebirge liegt die klimatische Waldgrenze (22) bei einer Höhe von etwa 1200 m. Die höchsten Lagen des Riesengebirges im Bereich der Schneekoppe (1603 m) liegen oberhalb der klimatischen Waldgrenze, und diese baumlose Hochgebirgslandschaft ähnelt dem Kahlen Fjell (23) des Skandinavischen Gebirges. Die potentielle natürliche Vegetation (24) im Riesengebirge ist entsprechend den Höhenstufen (25) in den Tallagen Laubwald (26) und in den Hochlagen Bergwald (27).
Das Riesengebirge und das Altvatergebirge waren in den 80er Jahren die Regionen in Europa gewesen, die am Meisten vom Waldsterben (28) betroffen gewesen sind. Während meines Studiums an der Freien Universität Berlin war das Thema „Waldsterben“ damals in meinem Nebenfach Biologie ein auch von mir bearbeitetes Thema gewesen. In der zweiten Hälfte der 80er Jahre konnte ich mir selbst im Riesengebirge ein Bild von der Lage machen: In den gesamten Hochlagen des Riesengebirges waren die dort dominierenden Fichtenreinbestände großflächig über etliche Quadratkilometer hinweg abgestorben, sodaß der Wald im Riesengebirge überwiegend aus grauen Fichtengerippen bestand.
Es stellt sich die Frage, warum insbesondere in den Mittelgebirgen in Europa großflächige Fichtenmonokulturen dominieren und nicht natürliche, standortgerechte Mischwälder, die sich dort im Zuge einer Sukzessionsfolge (29) als Klimaxzustand etablieren würden. Das Erscheinungsbild des Waldes (30) änderte sich durch die Einwirkungen des Menschen erheblich im Laufe der Zeit, was die Geschichte des Waldes aufzeigt (31). Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurden im Zuge der Entstehung der modernen Forstwirtschaft (32) aus forstwirtschaftlichen Erwägungen heraus insbesondere in Mitteleuropa und auch im Riesengebirge großflächige Fichtenmonokulturen angelegt, die auch heute noch überwiegend das Erscheinungsbild des Waldes prägen. Anstatt auf natürlichen Wald als einer artenreichen Biozönose (33) treffen wir somit heute überall auf artenarme Monokulturen (34) forstwirtschaftlicher Nutzholzplantagen (35), die sich durch sehr geringe Biodiversität (36) auszeichnen. Auch im Riesengebirge und im Altvatergebirge besteht der Wald nahezu vollständig aus Fichtenmonokulturen. Die sich weltweit permanent ausdehnenden Monokulturen der industriellen Land- und Forstwirtschaft sind die Hauptursache des globalen Verlustes an Biodiversität und des rasanten Artensterbens (37). Im gegenwärtigen Erdzeitalter des Anthropozän (38) ereignet sich derzeit das sechste Massenaussterben (39) der Erdgeschichte, und dies ist noch vor dem sogenannten „Klimawandel“ das größte ökologische Problem.
Warum waren insbesondere die Sudeten und das Altvatergebirge mehr als andere Waldgebiete in Europa vom Waldsterben betroffen? In Mitteleuropa haben wir zu etwa 90% Wetterlagen mit Westwind, sodaß die Luftverschmutzungen nahezu sämtlicher Industriegebiete Europas, insbesondere aus England, Nord-Frankreich, Belgien, dem Ruhrgebiet, der DDR und Böhmen die Sudeten erreichten. Zudem sind Fichtenmonokulturen wie jede Monokultur im Vergleich mit der standortgerechten potentiellen natürlichen Vegetation sehr viel weniger stabil und weit anfälliger gegenüber jeder Form von Umweltbelastung, und somit auch gegenüber industriellen Luftverschmutzungen. Mit der Einrichtung von Entschwefelungsanlagen und der Erfindung und Verbreitung der Gipskartonplatte im Gebäude-Innenausbau verschwand das Thema „Waldsterben“ in den 90er Jahren aus den Schlagzeilen.
Doch die Kritik an der industriellen Forstwirtschaft und der durch sie bewirkten Umwandlung der Wälder in monotone, gleichförmige und artenarme Nutzholzplantagen mit sehr geringer Biodiversität behält weiterhin ihre Berechtigung, zumal die forstindustrielle Umwandlung artenreicher natürlicher Wälder in gleichförmige und monotone Nutzholzplantagen weltweit weiter voranschreitet, wobei die industrielle Forstwirtschaft „Wald“ als eine Ansammlung von Holzgewächsen begreift, die sich zweckrational ausschließlich über den Nutzholzertrag in Kubikmeter pro Hektar und Jahr bemessen und quantifizieren läßt, und dem Wald als Ökosystem keinerlei Bedeutung und Wert zukommt. So sind die sogenannten „Waldschäden“ wie Borkenkäferplagen, großflächiger Windbruch und Waldbrandgefahr überhaupt erst ein Produkt der Bewirtschaftungsmethoden der modernen industriellen Forstwirtschaft und der durch sie geschaffenen gleichförmigen und sterilen Monokulturen, doch die industrielle Forstwirtschaft leugnet einen Kausalzusammenhang, was auch beim Wikipedia-Artikel zum Thema „Waldschäden“ (40) deutlich wird.
Warum expandieren weltweit die gleichförmigen und sterilen Monokulturen der industriellen Forstwirtschaft auf Kosten naturnaher artenreicher Wälder? In der Industriegesellschaft werden sowohl die Natur, als auch die Gesellschaft gemäß „instrumenteller Vernunft“ (41) (Max Horkheimer) zweckrational zugerichtet und in sterile, gleichförmige Monokulturen umgewandelt, und jegliche Vielfalt geht dabei verloren (42). Die fortgeschrittene Industriegesellschaft hat das Ziel, permanentes Wirtschaftswachstum zu erzwingen, wofür sämtliche Bereiche der Gesellschaft zugerichtet und gleichgeschaltet werden. Mit der permanenten Ausweitung des Konsums verbunden ist ein permanent wachsender Verbrauch von Rohstoffen und eine permanent wachsende Verschwendung von Energieressourcen mit der Folge sich ausweitender Naturzerstörungen. Ebenso wird im auf Hochtouren laufenden industriellen Produktionsprozeß die menschliche Arbeits- und Lebenszeit verschwendet. Immer weitere gesellschaftliche Bereiche werden ökonomischem Kalkül unterworfen, zweckrational zugerichtet und gemäß instrumenteller Vernunft gleichgeschaltet und industrialisiert.
Die alternativlose Notwenigkeit permanenten Wirtschaftswachstums ist nicht nur Produkt einer Medienkampagne, es ist vielmehr die Grundlage nahezu jeglicher wirtschaftlicher und politischer Theorie und Praxis (43). Nur durch permanentes Wirtschaftswachstum, das im Allgemeinen in Form des Bruttosozialprodukts (BSP) gemessen wird, entsteht nach allgemeiner Auffassung Wohlstand und Lebensqualität, und diese messen sich in der Menge der konsumierbaren Industrie-Produkte und Waren. In der Konsumgesellschaft (44), die zugleich eine Wegwerfgesellschaft ist, werden die Menschen auf die Rolle und Funktion von Konsumenten standardisierter Industriefertigprodukte reduziert und es verkümmert ihre Kreativität und Initiative. Folge ist eine Konsumkultur, die durch Passivität und Bequemlichkeit, durch Ablenkungen, Zerstreuungen und seichte Vergnügungen, durch Besinnungs- und Reflektionslosigkeit geprägt ist. Die Konsumkultur verhindert, daß die Menschen nach dem Modell der Maslowschen Bedürfnishierarchie (45) die Ebene der Transzendenz erreichen. In der Konsumkultur bleiben sie Gefangene nicht reflektierter Leidenschaften und manipulierter Wünsche. Die Konsumkultur ist nach der Analyse des Sozialpsychologen Erich Fromm (1900-1980) vom Haben und nicht vom Sein bestimmt: „Wenn die Menschen jemals frei werden, das heißt dem Zwang entrinnen sollen, die Industrie durch pathologisch übersteigerten Konsum auf Touren zu halten, dann ist eine radikale Änderung des Wirtschaftssystems vonnöten“ (46).
Der Umgang mit dem Rohstoff Holz in unserer Konsumgesellschaft entwertet diesen zu einem Wegwerfprodukt, und immer größere Mengen an Holz, die zu immer kurzlebigeren Produkten verarbeitet werden, müssen den Wirtschaftsprozeß passieren, um weiteres Wirtschaftswachstum der mit dem Rohstoff Holz verbundenen Branchen zu gewährleisten. Es besteht also auch hier ein Wachstumszwang (47), da sich in der fortgeschrittenen Industriegesellschaft scheinbar sämtliche wirtschaftlichen, politischen und sozialen Probleme durch permanentes Wirtschaftswachstum lösen lassen. Die ökologische Krise bildet hingegen eine Ausnahme, sodaß es seit Anfang der 70er Jahre eine Wachstumskritik (48) gibt. Das Konzept eines sogenannten „Grünen Wachstums“ (49) ist jedoch der Versuch, der Wachstumskritik auszuweichen und das Dogma des Wirtschaftswachstums zu retten. Erforderlich ist eine stationäre Wirtschaft (50) im Sinne von Subsistenzwirtschaft (51). Wenn wir zukünftig naturnahe artenreiche Wälder mit hoher Biodiversität haben wollen, ist somit ein Abschied vom Dogma des Wirtschaftswachstums und ein anderer gesellschaftlicher Umgang mit dem Rohstoff Holz erforderlich.
Die Gipfelregion des Altvatergebirges ist mit Straßen und großen Parkplätzen autogerecht erschlossen, und ein riesiger Turm dominiert den Gipfel, der die technische Beherrschung der Gebirgsnatur durch die Industriegesellschaft zum Ausdruck bringt. Anspruch der automobilen Gesellschaft ist es, jeden noch so abgelegenen Punkt in der Landschaft automobil erreichen zu können, und zu diesem Zweck werden sämtliche Landschaften automobil erschlossen und entsprechend zugerichtet. Autogerechte Planung hat überall weiterhin Priorität, und allenorts leistet insbesondere die EU große Aufwendungen, um in dem von ihr verwalteten und permanent erweiterten europäischen Großwirtschaftsraum die KFZ-Infrastruktur auszubauen und auszuweiten, denn die automobile Beschleunigung der Gesellschaft ist Mittel zur Erzeugung permanenten Wirtschaftswachstums.
Nationalismus und das Scheitern des Völkerbundes
Bei meiner Weiterfahrt besuchte ich in der Stadt Opava/Troppau das Schlesische Museum (52). Schon bei meinen früheren Fahrradreisen hatte ich die Schlesischen Museen in den Städten Görlitz und Kattowitz besucht. Dann gelangte ich durch das Hultschiner Ländchen (53). Das Hultschiner Ländchen ist ein Teil der Region Oberschlesien (54). Bei der Kreisreform vom 01.01.1818 im Regierungsbezirk Oppeln wechselte das Hultschiner Ländchen mit der Stadt Hultschin/Hlucin aus dem Kreis Leobschütz (55) in den Kreis Ratibor (56). Am 01.01.1920 wurde das Hultschiner Ländchen ohne Volksabstimmung ein Bestandteil der als ein Zerfallsprodukt der Habsburger-Monarchie neu entstandenen Tschechoslowakei, während im übrigen Oberschlesien Volksabstimmungen (57) durchgeführt wurden, für die eine Interalliierte Regierungs- und Plebiszitkommission (58) zuständig war, die zudem Teilungspläne für Oberschlesien ausarbeitete. Die Angelegenheit wurde an eine Kommission des Völkerbundes übertragen, und der Völkerbundsrat entschied sich 1921 für eine Teilung Oberschlesiens. Sowohl der Interalliierten Regierungs- und Plebiszitkommission, als auch dem Völkerbund lag offensichtlich die Auffassung zugrunde, die Nationalität der Menschen sei eine natürliche, von Geburt an gegebene, unveränderliche, exakt zu messende und zu ermittelnde Eigenschaft, und ebenso seien Nationen naturgegebene Tatsachen, deren natürliche Grenzen sich exakt in der Landschaft ermitteln und bestimmen lassen. Tatsächlich jedoch ist das östliche Europa und mehr noch das südöstliche Europa durch hochgradige ethnische und sprachliche Gemengelagen geprägt, sodaß es dort zuvor überwiegend Vielvölkerstaaten gab. Jeder Versuch von Grenzziehungen im Zuge der Schaffung homogener Nationalstaaten muß zwangsläufig zu endlosen und eskalierenden Konflikten führen, was sich tatsächlich auch ereignete, sodaß radikale und kompromißlose Nationalisten die Konflikte eskalierten und ein neuer großer Krieg entstehen konnte. Vor diesem Hintergrund beginnt m.E. das Scheitern des Völkerbundes (59) in Oberschlesien. Unübersehbar wurde am Beispiel von Oberschlesien deutlich, daß nicht Gleichberechtigung angestrebt wird und Minderheitenrechte im Vordergrund stehen, sondern Machtpolitik betrieben wird.
Noch immer gilt es in Europa als Zumutung und als ein zu beseitigender Zustand, wenn mehrere Sprachgruppen in einem Staat zusammenleben (müssen), und der homogene Nationalstaat gilt weiterhin als das anzustrebende Ideal der Politik. Doch insbesondere die östliche Hälfte Europas ist durch eine hochgradige Gemengelage der verschiedenen Sprachgruppen, Ethnien und Religionen geprägt, wie ein Blick auf eine Siedlungskarte unübersehbar erkennen läßt. Daher waren bis zum Ersten Weltkrieg die meisten Staaten in der östliche Hälfte Europas Vielvölkerstaaten (60) bzw. Nationalitätenstaaten. So auch das Kaiserreich Österreich-Ungarn (61), welches ein geradezu idealtypisches Beispiel eines Vielvölkerstaates gewesen ist. Der Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn sah sich der weitgehenden Gleichberechtigung der Sprachgruppen und Völker verpflichtet, was in Artikel 19 (Gleichberechtigung aller Volksstämme des Staates) der Dezemberverfassung Österreich-Ungarns von 1867 zum Ausdruck gelangte, und wie der Historiker Philipp Ther in seinem Buch: „Die dunkle Seite der Nationalstaaten. ‚Ethnische Säuberungen‘ im modernen Europa“ feststellt: „Jeder der ‚Volksstämme‘ der Monarchie hatte gemäß der Verfassung von 1867 anerkannte Rechte, Individuen durften wegen ihrer Nationalität nicht benachteiligt werden“ (62). Der Historiker und Politiker František Palacký (1789-1876) vertrat die Auffassung: „Wahrlich, existierte der österreichische Kaiserstaat nicht schon längst, man müßte im Interesse Europas, im Interesse der Humanität selbst sich beeilen, ihn zu schaffen“ (63).
Doch radikale Nationalisten trugen wesentlich zur Auflösung und zum Ende des Vielvölkerstaats Österreich-Ungarn bei, und sie erreichten ihr Ziel am Ende des Ersten Weltkrieges. Hierbei kam dem vom Philosophen Tomáš Garrigue Masaryk (64) im Exil gebildete Tschechoslowakische Nationalrat (65), dessen Generalsekretär der Soziologe Edvard Beneš (66) wurde, eine herausragende Bedeutung zu. Dieser Tschechoslowakische Nationalrat wurde nämlich von den Entente-Staaten als Exilregierung anerkannt. Masaryk veröffentlichte sein Programm in seinem Buch „Das neue Europa“ (67). Aus dem Tschechoslowakischen Nationalrat ging am 14.10.1918 eine vorläufige tschecho-slowakische Regierung (68) hervor, die am 18.10.1918 die tschechoslowakische Unabhängigkeitserklärung (69) verfaßte, welche am 28.10.1918 in Kraft trat.
Unter dem Vorwand des Selbstbestimmungsrechtes der Völker erzwangen die Siegermächte des Ersten Weltkrieges eine Neuordnung der östlichen Hälfte Europas nach dem Konzept des Nationalstaates. Insbesondere in Ostmitteleuropa (70) und dem sogenannten Zwischeneuropa (71) entstanden neue Nationalstaaten. Doch da es kein Gebiet gab, auf das nicht mehrere Nationalitäten Anspruch erhoben, mußten unausweichlich alle territorialen Regelungen im Osten und Südosten Europas willkürlich sein. In Ihrem Buch: „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ analysiert die Historikerin Hannah Arendt die Folgen des Friedensvertrags von Versailles (72): „Da es sich in Versailles darum handelte, den Status quo in Europa zu restaurieren, blieb gar nichts anderes übrig, als das westliche Prinzip auf den Osten zu übertragen; die einzige Alternative in diesem Rahmen wäre die Einführung kolonialer Unterdrückungsmethoden nach Europa gewesen – wie sie die Panbewegungen immer schon vorgeschlagen hatten“ (73). Arendt hebt hervor, daß „diese neuen Staaten nicht lebensfähig waren. Ihrem Anspruch auf nationale Souveränität entsprach keine der Voraussetzungen, auf welchen die Nationalstaaten, nach deren Muster sie errichtet waren, ruhten. (…) Die Friedensverträge errichteten keine Nationalstaaten, sondern eine Reihe von Nationalitätenstaaten im Zwergmaßstab, wobei sie mehr oder minder eine dieser Nationalitäten zum Staatsvolk avancieren ließen (wie die Tschechen, die rund 50 Prozent der Bevölkerung der Tschechoslowakei, oder der Serben, die nicht mehr als 42 Prozent der Bevölkerung Jugoslawiens ausmachten) (…). Und wie es in einem Nationalstaat wie Polen aussah, in welchem das Staatsvolk kaum zwei Drittel der Gesamtbevölkerung ausmachte, ist bekannt genug. (…) In den Augen der Minderheiten und der nationalen Gruppen, also aller Völker, welchen in Versailles kein Staat zugebilligt worden war, waren die Verträge das Resultat eines willkürlichen oder parteiischen oder intriganten Spiels, das einen die Herrschaft und anderen die Knechtschaft zuspielte. In den Augen der neuen Staatsvölker war die territoriale Verteilung ebenfalls völlig willkürlich, und sie beeilten sich, den schon bestehenden territorialen Konflikten zahllose neue Grenzstreitigkeiten hinzuzufügen. Mehr denn je waren die territorialen Grenzen zu etwas Willkürlichem und Zufälligem geworden, durch das kein Volk und keine Nationalität zu begrenzen war. Es hätte in dieser Ecke Europas wahrlich nicht Hitlers bedurft, um alle gegen alle zu hetzen“ (74). Infolgedessen war die Zwischenkriegszeit in ganz Europa durch eine Vielzahl bewaffneter Auseinandersetzungen geprägt (75). Hannah Arendt fügt hinzu: „Die Repräsentanten der großen Nationen waren sich wohl bewußt, daß innerhalb des Nationalstaates nationale Minderheiten früher oder später assimiliert oder liquidiert werden müssen“ (76). Der Historiker Karl Schlögel stellt in seinem Text: „Bugwelle des Krieges“ fest, daß das östliche Mitteleuropa „in besonderem Maße zur Experimentierfeld der Moderne wurde – und zum Schauplatz ihres Scheiterns. Europa ist dort, wo es am dichtesten war, gesprengt worden. Man kann diesen Prozeß als die ‚Entmischung‘ Europas bezeichnen, an dessen Ende ethnische Säuberung, Völkermord und ethnisch fast vollständig homogene Staaten stehen. Es handelt sich um den gewalttätigsten Entwurzelungsvorgang der modernen Geschichte“ (77).
Die Tschechoslowakei (78) entstand nach dem Ersten Weltkrieg am 28.10.1918 als ein Zerfallsprodukt des Kaiserreichs Österreich-Ungarn auf Grundlage des Konzepts des „Tschechoslowakismus“ (79). Sie war ein Nationalitätenstaat mit einer Bevölkerungszahl von 13,6 Mio. Einwohnern (1921), darunter 50 % Tschechen, 23 % Deutschen, 14 % Slowaken und 13 % Ungarn, Polen, Ukrainern und weiteren Minderheiten. Die Deutschen in der Tschechoslowakei (80), die nach den Tschechen die zweitgrößte Bevölkerungsgruppe bildeten, werden auch als „Sudetendeutsche“ (81) bezeichnet. Die Tschechoslowakei hätte mit dem Konzept einer Willensnation (82) nach dem Modell der Schweiz eine historische Chance gehabt. Neben dem Konzept der Willensnation gründet das Modell der Schweiz auf einer Tradition kommunaler Selbstverwaltung, genossenschaftlicher Selbstorganisation und direkter Demokratie, und diese Tradition hat ihren Ursprung im Mittelalter, wo sie weit verbreitet war, doch sie ist heute nirgendwo sonst noch erhalten, und diese Tradition hat nur in der Schweiz allen modernen Tendenzen zur Zentralisierung, die sich seit dem Zeitalter des Absolutismus ereignen, erfolgreich widerstanden. In der Schweiz ist die Vorstellung, einzelne der Sprachgruppen assimilieren oder gar aussiedeln und deportieren zu wollen, geradezu absurd und undenkbar. Doch kompromißlose radikale Nationalisten verhinderten eine Tschechoslowakei als einer „Schweiz im östlichen Mitteleuropa“.
Dazu hat beigetragen, das sich die Tschechoslowakei bei ihrer Entstehung am zentralistischen französischen Verfassungsmodell orientiert hatte. Der Historiker Rudolf Jaworski kommentiert „den ungelösten Widerspruch zwischen der multinationalen Struktur der Tschechoslowakei und dem nationalstaatlichen Anspruch der Tschechen, die nur 51 % der Gesamtbevölkerung ausmachten“, in seinem Text: „Die Sudetendeutschen als Minderheit in der Tschechoslowakei 1918-1938“: „‘To je náš stát‘ (das ist unser Staat) lautete die apodiktische Formel des jungen tschechischen Nationalstaatsbewußtsein. Dieser Staat wurde als das exklusive Eigentum der tschechischen Nation begriffen“ (83). In seinem Buch: „Die Anglo-Amerikaner und die Vertreibung der Deutschen“ kommentiert der Völkerrechtler Alfred Maurice de Zayas diese Entwicklungen: „Nachdem den Sudetendeutschen die Vereinigung mit den Tschechen aufgezwungen worden war (…), hätte die Prager Regierung überflüssige Spannungen vermeiden können, wenn sie die Deutschen zu voller Partnerschaft im Staat herangezogen hätte, auf der Grundlage völliger praktischer wie theoretischer Gleichberechtigung. Die Prager Regierung hätte den Deutschen die Rechte und Möglichkeiten der Tschechen und der Slowaken ebenfalls einräumen sollen. Leider wurde das Modell einer neuen Schweiz, wie es Dr. Benesch bei den Pariser Friedensverhandlungen so feierlich verkündet hatte, niemals verwirklicht“ (84).
Der Nationalitätenkonflikt in der Tschechoslowakei führte zur Sudetenkrise (85) und zum Münchener Abkommen vom 29.09.1938 (86) mit der Folge der Zerschlagung der Tschechoslowakei (87). In seinem Buch: „Die Vertreibung. Böhmen als Lehrstück“ stellt der Kommunikationswissenschaftler und ehemalige Berliner Wissenschaftssenator Peter Glotz (1939-2005) die Frage: „Was für ein Staat wurde im Herbst 1938 von den Signaturmächten des Münchner Abkommens – Deutschland, Italien, Frankreich und Großbritannien – amputiert und im Frühjahr 1939 von Hitler zerschlagen? Kühl ausgedrückt: ein brodelnder Nationalitätenstaat, den viele seiner Protagonisten zum Nationalstaat hatten machen wollen, eine ‚neue Demokratie‘, die sich redlich bemühte, aber sich an ihren viel zu großen Minderheiten verschluckt hatte, eine Konstruktion (der Tschechoslowakismus), die nicht trug. Die ČSR war demokratischer als die anderen neuen Nationalstaaten, zum Beispiel die autoritären (und reichlich antisemitisch eingestellten) Regime in Polen, Ungarn und Rumänien. Aber sie war auf einer falschen Versprechung gegründet worden, dem berühmten Satz von Außenminister Beneš in seinem Mémoire III vom Januar 1919: ‚Das Regime würde ähnlich dem der Schweiz sein.‘“ (88). So trugen die Umstände des Zerfalls der Tschechoslowakei zur Entstehung des Zweiten Weltkriegs (89) bei.
In der Stadt Hlucin/Hultschin besuchte ich das Museum des Hultschiner Ländchens (90). Das kleine, exzellent konzipierte Museum bietet eine Fülle gut aufbereiteter Materialien mit umfangreichen Informationen, die durchgängig zweisprachig angeboten werden (Tschechisch, Deutsch). Die Ausstellung ist in sechs thematische Bereiche gegliedert, die jeweils einer eigenen historischen Chronologie folgen. Für ein Verständnis des historischen Zusammenhangs der historischen Ereignisse ist es sehr hilfreich, daß die historischen Entwicklungen im Hultschiner Ländchen im Zusammenhang mit den Entwicklungen in den Nachbarregionen dargestellt werden, insbesondere den angrenzenden Teilen Oberschlesiens mit den Städten Ratibor und Leobschütz. Anschließend fuhr ich weiter durch die Stadt Ostrava/Ostrau, die Teil des oberschlesischen Industriegebietes ist.
Dann erreichte ich die im Tal des Flusses Olza/Olse gelegene „Doppelstadt“ Cesky Tesin/Cieszyn/Teschen (91), deren Entstehung auf das Jahr 810 n. Chr. zurückgeführt wird. Tatsächlich handelt es sich auch bei dieser „Doppelstadt“ um eine einzige historisch gewachsene Stadt, die später in der Neuzeit von einer Staatsgrenze geteilt wurde. Derartige Teilungen von Städten sind ein weit verbreitetes Phänomen der Neuzeit und sie ereigneten sich insbesondere im Zeitalter des Nationalismus und der Herausbildung von Nationalstaaten (92). Immer wieder gelangte ich bei meinen Fahrradreisen in Europa durch zahlreiche dieser eigenartigen „Doppelstädte“. Insbesondere interessiert mich an diesen „Doppelstädten“ die jeweilige Teilungssituation, sodaß ich stets beide Teile einer „Doppelstadt“ besuche. Diese geteilten Städte können auch als Ausdruck des Niedergangs der Städte seit dem Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit angesehen werden, und sie sind somit ein Ausdruck der in der Neuzeit erlangten Dominanz des zentralistischen absolutistischen Staates über die zuvor weitgehend selbstständigen Städte. Bis heute haben die Städte ihre frühere Bedeutung und Selbstständigkeit nicht wieder erlangt.
Dann überquerte ich den Jablunkapaß (550 m) und gelangte in die Slowakei. In der Slowakei erreichte ich das Tal des Flusses Waag/Váh. Bei meiner Fahrradreise im Jahre 2019 durch Teile des östlichen Mitteleuropas war ich nach der Durchquerung von Schlesien und der Überquerung des Jablunkapasses (550 m) das Tal des Flusses Waag/Váh zur Donau herabgefahren. Jetzt folgte ich dem Tal des Flusses Waag/Váh flußaufwärts und durchquerte die Slowakei südlich der Westkarpaten (Beskiden).
Autogerechte Planung für die automobile Gesellschaft
Das umfangreiche Netz gut ausgebauter und einheitlich ausgeschilderter Fahrradwege in Tschechien endet abrupt an der Grenze zur Slowakei. Obwohl Tschechien und die Slowakei bis zum Jahre 2003 einen gemeinsamen Staat gebildet hatten, hat sich seither die Verkehrspolitik der beiden Länder offensichtlich in entgegengesetzte Richtungen entwickelt. Während in Tschechien ein umfangreiches Netz gut ausgebauter und gut ausgeschilderter Fahrradwege entstanden ist, das das gesamte Land abdeckt, und wobei die Fahrradwege oft auf separaten Trassen abseits vom KFZ-Verkehr verlaufen, und ansonsten die bestehenden KFZ-Straßen erhalten werden, fehlen hingegen in der Slowakei Fahrradwege fast vollständig, und im gesamten Land werden überall neue Autobahnen und Autoschnellstraßen gebaut.
Im gesamten nun von mir durchfahrenen Südost-Europa hat das Fahrrad als Verkehrsmittel keinerlei Bedeutung, es gibt nahezu nirgendwo Fahrradwege und es sind dort rein automobile Gesellschaften entstanden. Diese Entwicklung hin zu rein automobilen Gesellschaften wird von der EU massiv gefördert, wie omnipräsente große Infotafeln und unzählige Straßenbaustellen im gesamten südöstlichen Europa aufzeigen. Selbst die Eurovelo-Routen, die als Fahrrad-Fernwanderwege durch Europa angelegt sind, befinden sich im gesamten südöstlichen Europa noch fast gänzlich im Planungsstadium und existieren faktisch so gut wie nicht. Zweifellos sind diese Verkehrsverhältnisse eine Folge der Prioritätensetzung in Europa, wo Automobilismus und autogerechte Planung gefördert werden zum Zweck der permanenten Beschleunigung und Mobilisierung der Gesellschaft, um permanentes Wirtschaftswachstum im gesamten europäischen Großwirtschaftsraum zu gewährleisten, der von der EU verwaltet wird. Fahrradwege gibt es erst erst wieder in Österreich, und dort besteht tatsächlich ein exzellentes und vorbildliches Fahrradwegenetz.
Am Beispiel der Slowakei wird deutlich, daß insbesondere die EU große Anstrengungen und große finanzielle Aufwendungen leistet, worauf auf zahlreichen Infotafeln hingewiesen wird, um die KFZ-Infrastruktur in Europa auszubauen und den KFZ-Verkehr zu fördern. Im gesamten Europa entsteht nach dem Vorbild der USA auf Grundlage autogerechter Planung eine automobile Gesellschaft mit automobiler Lebensweise als einer Erscheinungsform und Ausprägung der fortgeschrittenen Industriegesellschaft. Am Beispiel der USA lassen sich schon heute die Entwicklungen studieren, die in einigen Jahren danach auch in Europa umgesetzt werden, und in der gesamten östlichen Hälfte Europas erfolgen diese Entwicklungen derzeit am radikalsten und schnellsten.
Ein Beispiel dafür bietet die Stadt Spisska Nova Ves in der östlichen Slowakei. Dort gelangte ich durch die in der östlichen Hälfte Europas üblichen und weit verbreiteten Plattenbausiedlungen, sowie durch riesige Gewerbe- und Einkaufsareale, die durch riesige Werbetafeln weit in der Landschaft sichtbar sind. Die Slowakei präsentiert sich als ein Land in Europa mit den größten und meisten Werbetafeln im öffentlichen Raum. Diese Gewerbe- und Einkaufsareale sind mit riesigen Parkplätzen autogerecht geplant und ausgestaltet, und unübersehbar orientiert sich dieses Planungskonzept am Vorbild der automobilen us-amerikanischen Gesellschaft. Diese Planungskonzepte werden seit 1989/90 insbesondere in der östlichen Hälfte Europas geradezu idealtypisch umgesetzt, und man trifft sie mittlerweile fast überall insbesondere bei größeren Städten an. Man meint, sich in den USA zu befinden, wenn es nicht in der Umgebung große Plattenbausiedlungen geben würde. Noch weniger als in der westlichen Hälfte Europas ist bis heute in der östlichen Hälfte Europas begriffen und verstanden worden, daß der Automobilismus als Grundlage der Beschleunigten Gesellschaft ein Herrschaftsmodell zur Steuerung der Gesellschaft ist. Doch schon vor 1989/90 hatte die östliche, „realsozialistische“ Variante der industriellen Moderne mit ihrer autogerechten Planung für die jetzt erfolgenden Entwicklungen die Grundlagen und die Erwartungshaltungen geschaffen.
Ein charakteristisches Element der Automobilisierung der Gesellschaft ist das Konzept des „Drive In“ und des „Drive Through“. Ziel der Entwicklung ist die totale Automobilisierung aller Bereiche des Lebens, wobei man möglichst nicht mehr aus dem Auto aussteigen muß. In den USA gibt es Häuser, in denen man im eigenen Automobil in speziellen Aufzügen in die eigene Wohnung gelangen kann, und es sind dort Wohnmobile üblich und überall präsent, in denen ein PKW in einer integrierten Garage mitgeführt wird. Die totale Automobilisierung bedeutet, daß wir zukünftig nahezu unser gesamtes Leben im Auto als einer Art Ganzkörpervollprothese verbringen werden, in der uns zukünftig in Zuge der unbegrenzten Möglichkeiten der Digitaltechnischen Revolution virtuelle Realitäten simuliert werden. Wir befinden uns auf dem Weg zum Trans- und Posthumanismus und der Technologischen Singularität.
Weiter fuhr ich über Košize/Kaschau nach Ungarn. Bei der Stadt Tokaj passierte ich den Fluß Theiß und fuhr durch die Ungarische Tiefebene. Dort ereignete sich beim Dorf Ura am 20. 07.2023 ein außergewöhnlich schweres Gewitter mit 4 cm großen Hagelkörnern.
Kulturelle Vielfalt in Siebenbürgen
Weiter fuhr ich nach Siebenbürgen (93) in Rumänien, wo ich mehrere Städte besuchte, darunter: Clui-Napoka/Koloszvar/Klausenburg, Targu Mures/Marosvásávheli/Neumarkt am Mieresch, Sighisoara/Schäßburg/Segesvar, Sibiu/Nagyszeben/Hermannstadt, Alba Julia/Gyulafehevar/Karlsburg bzw. Weißenburg. Die Mehrzahl der Städte in Siebenbürgen wurde während der hochmittelalterlichen Stadtgründungsphase (94) von sogenannten „Siebenbürger Sachsen“ (95) gegründet.
Die Stadt Clui-Napoka/Koloszvar/Klausenburg (96) kündigt sich schon viele Kilometer, bevor ich sie erreichte, durch ausgedehnte Industrie- und Gewerbegebiete an. Dann durchfahre ich auf stadtautobahnähnlichen Boulevards große Areale mit großen Plattenbauten, die hier in einem eigenen Baustiel errichtet sind, der von der üblichen Monotonie der von Magdeburg bis Wladiwostok stilbildenden Plattenbauten, den „Wohnmaschinen“ der östlichen, „realsozialistischen“ Variante der industriellen Moderne, abweicht. In meinem Reiseführer wird die Stadt Klausenburg als „Studentenstadt, Touristenstadt und Kulturstadt“ vorgestellt, doch mein erster Eindruck ist von riesigen Industrie- und Gewerbegebieten, die weit in die umgebende Landschaft reichen, und von verkehrsreichen, großen und lauten Straßen geprägt. Endlich erreiche ich das Stadtzentrum, das von zahlreichen großen repräsentativen historischen Gebäuden geprägt ist. Da Klausenburg die größte und älteste Stadt in Siebenbürgen ist, habe ich hier einen Aufenthalt mit Stadtexkursionen eingeplant, um diese Stadt etwas näher und besser kennenzulernen.
Die beiden größten Denkmäler der Stadt Klausenburg sind Ausdruck konkurrierender nationalistischer Geschichtspolitiken in der real-existierenden Gedenk- und Erinnerungskultur: Das Eine ist ein im Jahre 1902 errichtetes Reiterstandbild von König Matthias Corvinus (1443 – 1490) (97) auf dem Platz Piața Unirii, das Andere eine Statue von Fürst Mihai Vitaezul (1558 – 1601) (98) auf dem Platz Piața Mihai Vitaezul. Des Weiteren gibt es auch in Klausenburg eine Skulptur von Romulus und Remus mit der Kapitolinischen Wölfin (99), und diese Skulpturen, die in großer Zahl in den meisten Orten in Rumänien anzutreffen sind, sind ein Präsent von Italien, wo diese offensichtlich als standardisierte Industriefertigprodukte in Massen hergestellt und über große Teile der Welt verbreitet werden.
Auf dem größten und zentralsten Platz in Klausenburg, dem Piața Unirii, treffe ich auf eine kleine Fotoausstellung, die das Verhältnis von Deutschen und Rumänen zum Thema hat. Mich interessiert die Situation von Minderheiten in Europa im Vergleich der Verhältnisse in den einzelnen Ländern. Konkret stellt sich die Frage, warum insbesondere nach 1989/90 nahezu sämtliche „Siebenbürger Sachsen“ aus Siebenbürgen ausgewandert sind, sodaß heute beinahe keine deutschsprachige Minderheit in Siebenbürgen mehr existent ist. Damit findet die sprachliche und ethnische Homogenisierung insbesondere der östlichen Hälfte Europas ihre Fortsetzung, die insbesondere das extreme 20. Jahrhundert prägt und deren heutiges Ergebnis sprachlich und ethnisch homogene Nationalstaaten sind. U.a. ist ein Ergebnis den extremen 20. Jahrhunderts, daß nahezu sämtliche deutschsprachige Minderheiten in der östlichen Hälfte Europas verschwunden sind, und mit der Auswanderung der Siebenbürger Sachsen findet dieser Prozeß seinen Abschluß. Es ist signifikant, daß der Prozeß der Homogenisierung von Nationalstaaten in der östlichen Hälfte Europas nach 1989/90 wieder erneut einsetzte und seine Fortsetzung erfährt und heute insbesondere in der östlichen Hälfte Europas überall der Nationalismus wieder auflebt.
Die historische Altstadt der Stadt Sighisoara/Schäßburg/Segesvar (100), die ich am 29. und 30.07.2023 besuchte, ist seit 1999 Unesco-Welterbe (101). Mittlerweile habe ich während meiner Reisen in zahlreichen Ländern eine Vielzahl von Unesco-Welterbestätten besucht, und mein Gesamteindruck ist, daß dieses Programm überwiegend ein Instrument der Tourismusförderung und der Förderung der jeweiligen Tourismus-Industrie ist, als daß es tatsächlich zur Förderung der kulturellen Vielfalt der Menschheit nennenswert beiträgt. So findet der gesamte Bereich der sogenannten „immateriellen Kultur“ nahezu keine Berücksichtigung, obwohl wir in einem Zeitalter leben, das durch einen weltweiten rasanten und irreversiblen Verlust an kultureller Vielfalt geprägt ist, wobei ein bedeutender Bestandteil dieses Verlustes das rasante weltweite Aussterben von Sprachen (102) ist. Der Verlust an kultureller Vielfalt korreliert mit dem globalen Verlust an biologischer Vielfalt/Biodiversität (Biokulturelle Diversität) (103). In der Industriegesellschaft werden sowohl die Natur, als auch die Gesellschaft zweckrational zugerichtet und in sterile, gleichförmige Monokulturen umgewandelt, und jegliche Vielfalt geht dabei verloren. Die fortgeschrittene Industriegesellschaft hat eine gleichförmige globale Konsumgesellschaft mit einheitlicher Konsumkultur zur Folge. Diese globale Konsumkultur wird durch das derzeit bestehende Unesco-Welterbeprogramm gefördert. Es müßte auf andere Grundlagen mit anderen Prioritäten gesetzt werden, um einen sinnvollen Beitrag zum Erhalt kultureller Vielfalt einschließlich biokultureller Vielfalt zu leisten.
Des weiteren hat eine Ernennung zum Unesco-Weltkulturerbe eine Zunahme und Intensivierung des Automobilverkehrs zur Folge, denn die Mehrzahl der Touristen reist mit dem eigenen PKW an. Folge ist, daß Automobile den Charakter von Unesco-Welterbestätten prägen, denn überall wird mit diesen PKW selbst in engen Gassen herumgefahren, und auch werden diese dort abgestellt. Tatsächlich haben heute im gesamten Europa die zentralen Plätze nahezu aller mittelalterlichen Städte den Charakter von Abstellflächen für Automobile, und es ist erstaunlich, wie vorausschauernd die Stadtgründer der mittelalterlichen Städte gewesen sind, daß sie die Parkplatznöte unseres automobilen Zeitalters vorausgesehen haben und in den Stadtzentren schon damals große Parkplätze angelegt haben. Jedes Foto eines mittelalterlichen Stadtbildes wird so in nahezu ganz Europa nichts anderes als ein Foto einer großen Ansammlung von Automobilen. Auch an Unesco-Welterbestätten ist dies der Fall, wie auch das Beispiel von Schäßburg zeigt, denn überall in der unteren und oberen Altstadt fahren und stehen Automobile herum.
In der gesamten östlichen Hälfte Europas gilt das unbegrenzte Herumhasten mit großen und schnellen West-Autos als die Verwirklichung des Freiheits- und Glücksversprechens der Epochenwende von 1989/90. Rücksichtsloses und riskantes Rasen auf den Straßen wird als die Verwirklichung persönlicher Freiheit mißverstanden. Wie ich auf meiner Fahrradreise feststellen mußte, sind auch im gesamten südöstlichen Europa rein automobile Gesellschaften entstanden, in denen das Fahrrad als Verkehrsmittel keinerlei Relevanz hat. Die Straßen sind dort von der Brutalität und Gewalttätigkeit des KFZ-Verkehrs geprägt, und rücksichtslos wird das sozialdarwinistische Prinzip des "Rechts des Stärkeren" ausgelebt. Respekt hat man vor den größeren und schnelleren KFZ, und Fahrradfahrer werden nicht als Verkehrsteilnehmer wahrgenommen, sondern als lästiges Verkehrshindernis. So habe ich im gesamten südöstlichen Europa auch nahezu keinerlei Fahrradreisende angetroffen, von denen offensichtlich diese Region aus guten Gründen konsequent gemieden wird. Diese im gesamten von mir bereisten südöstlichen Europa anzutreffende Brutalität und Gewalttätigkeit des KFZ-Verkehrs erreicht in Rumänien einen Höhepunkt. Sie nimmt zu, je weiter ich in Europa nach Osten gelange, und sie korreliert offensichtlich mit den in dieser Richtung zunehmenden sozialen Disparitäten und gesellschaftlichen Gegensätzen, die insbesondere in Rumänien besonders deutlich hervortreten. Es sind die Modernisierungsgewinner, die mit großen und schnellen West-Autos rücksichtslos die Straßen für sich beanspruchen und die mit Arroganz und Überheblichkeit alle anderen verdrängen. Von diesen wird das sozialdarwinistische Prinzip des „Rechts des Stärkeren“ brutal und rücksichtslos praktiziert und ausgelebt. Die Position in der gesellschaftlichen Hierarchie der Modernisierungsgewinner gelangt durch die abgestufte Größe und Geschwindigkeit des Automobils zum Ausdruck, und durch aggressive Fahrweise und Lautstärke wird die Position in dieser Hierarchie zu verbessern gesucht. In dieser automobilen Hierarchie haben Fahrradfahrer eine Position von Parias oder vogelfreien Geächteten.
Hermannstadt/Sibiu (104) kann zweifellos als die kulturelle Hauptstadt Siebenbürgens gelten, wovon ich mich bei meinem Besuch der Stadt selbst überzeugen konnte, und schon im Jahre 2007 wurde sie zur europäischen Kulturhauptstadt (105) ernannt. Unter anderem besuche ich dort das Freilichtmuseum Astra (106), das mit mehr als 400 historischen Gebäuden und Objekten als das größte Freilichtmuseum Europas gilt. Motto des Freilichtmuseums Astra ist kulturelle Vielfalt. Doch diese kulturelle Vielfalt der Menschheit geht weltweit rasant zurück. Weltweit breitet sich eine einheitliche und gleichförmige globale Konsumkultur aus, und der homogene Nationalstaat gilt auch nach dem extremen 20. Jahrhundert weiterhin als Ideal der Politik. So ist kulturelle Vielfalt heute oft nur noch museal erhalten und wird als exotisches Anschauungsobjekt konserviert und ausgestellt, während der irreversible Verlust an kultureller Vielfalt weltweit unvermindert weiter voranschreitet. Konserviert werden in Museen Bestandteile der „materiellen Kultur“, wie z.B. Gebäude und Trachten, nicht jedoch Bestandteile der „immateriellen Kultur“, wie z.B. Sprachen, und Sprachwissenschaftler gehen davon aus, daß in wenigen Jahrzehnten die Mehrzahl der heute noch gesprochenen ca. 6.500 Sprachen ausgestorben sein wird.
Siebenbürgen ist auch heute noch eine mehrsprachige Region und damit im heutigen Europa ein Sonderfall, denn die Ethnischen Säuberungen (107), Deportationen (108) und Vertreibungen (109) des extremen 20. Jahrhunderts, die die "Entmischung Europas" bewirkten und die ein Europa homogener Nationalstaaten (110) geschaffen haben, haben dort nie stattgefunden. Somit wäre Siebenbürgen das geeignete Modell für eine Europaregion. Heute fehlt eine allgemeine öffentliche Diskussion über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Europas. Das Thema Europa wird heute in den Medien auf „EU“ und „Euro“ reduziert, und es gerät aus dem Blick, daß Europa, wie der Soziologe Ulrich Beck und der Politologe Edgar Grande in ihrem Buch: „Das kosmopolitische Europa“ hervorheben, ein „hochkomplexes und äußerst differenziertes, politisch bewegtes und bewegliches politisches Projekt“ ist, das sich aus einer Vielzahl unterschiedlicher miteinander in Wechselwirkung stehenden politischen Prozessen, Ebenen und Akteuren zusammensetzt, die in ihrer interdependenten Gesamtheit das europäische Projekt ausmachen (111). Europa erscheint heute mehr als eine Veranstaltung zur Rettung der Idee der Nation und des Nationalstaates, obwohl diese nach dem extremen 20. Jahrhundert als historisch überholt gelten müssen, als daß neue Ideen und Konzepte jenseits der Idee der Nation und des Nationalstaates entwickelt und umgesetzt werden.
Wir sind nach dem extremen 20. Jahrhundert an einem Punkt angelangt, wo die Grundlagen des Zeitalters der Moderne einer Überprüfung und Revision mit Blick auf alternative zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten unterzogen werden müssen, und hierzu gehört insbesondere die politische Religion des modernen Nationalismus, dessen wesentliches Fundament zum einen die Sprachen bilden und zum anderen die Nationalgeschichte als Legitimationsmythos des Nationalstaates (Vgl. hierzu meinen Text: „Der moderne Nationalismus als eine politische Religion. Über die Konstruktion der Nation im Zeitalter des modernen Nationalismus“). Nationalisten betreiben Geschichtspolitik und nutzen die herrschende Gedenk- und Erinnerungskultur als quasireligiösen Kult der politischen Religion des Nationalismus. Der homogene Nationalstaat gilt weiterhin als das anzustrebende Ideal der Politik. Die Ethnischen Säuberungen, Zwangsumsiedlungen, Vertreibungen und Deportationen des extremen 20. Jahrhunderts, die die heutige Welt der homogenen Nationalstaaten schufen, dürfen nicht in Frage gestellt werden, und der durch diese Verbrechen erreichte Zustand wird hartnäckig verteidigt. Doch niemand will die Verantwortung für den entstandenen immensen Gesamtschaden übernehmen, stattdessen werden weiterhin Schuldige gesucht. Ergebnis ist die alternativlose Affirmation des Bestehenden. Eine Suche nach Alternativen wird unterdrückt, da herrschende Paradigmen und Dogmen in Frage gestellt werden könnten. Das Ziel einer Aufklärung wird verfehlt.
Bei meiner Weiterfahrt besuche ich die archäologische Stätte der antiken Hauptstadt der Daker, Sarmizegetusa Regia (112) sowie die archäologische Stätte der antiken Hauptstadt der römischen Provinz Dakien, Ulpia Traiana Sarmizegetusa (113).
Am Bosporus
Danach überquerte ich die Südkarpaten beim Paß Banita (759 m) und fuhr durch die Schlucht des Flusses Jiu. Bei meiner Weiterfahrt im Tal des Flusses Jiu gelangte ich durch die Städte Targu Jiu und Craiova. Der große zentrale Platz der Stadt Craiova beim Rathaus wird von einem großen Reiterstandbild überragt, das den Fürsten Mihai Viteazul (1558 – 1601) mit erhobener Streitaxt darstellt. Zwischen dem Rathaus und dem axtschwingenden Reiterstandbild treffe ich überraschenderweise auf eine aktuelle World Press Fotoausstellung 2023 (114). Die Fotos sind auch hier exzellent und beeindruckend, doch erfährt man kaum etwas zu Zusammenhängen und Hintergründen der aufgezeigten Problemlagen. Um einen sinnvollen Beitrag zu gesellschaftlicher Aufklärung zu leisten, , müßte jedoch genau dieses erfolgen, alles andere ist oberflächliche Effekt- und Sensationshascherei einer Gesellschaft des Spektakels, in der die öffentliche Meinung durch Massenmedien geprägt und manipuliert wird. Auch hier wird die thematische Karte der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ (115) zur weltweiten Lage der Pressefreiheit (116) kommentarlos und kritiklos übernommen. Auf dieser Karte werden nicht die Kriterien dargestellt und begründet, nach denen die Kategorienbildung (117) und Klassifizierung (118) vorgenommen worden ist. Eine solche Karte ist nutzlos und ohne Aussagegehalt. Jegliche Klassifizierung und Kategorienbildung muß nach signifikanten Kriterien und gut begründet erfolgen. Bedauerlicherweise trifft man überall auf mangelhafte uns schlechte Karten, selbst bei renommierten Verlagen, da die meisten Kartenhersteller keinerlei Ahnung von Kartografie haben.
Dann erreichte ich die Donau, die ich beim Fährhafen Orjahovo überquerte. Weiter fuhr ich durch Bulgarien, wobei ich die Städte Pleven und Veliko Tarnovo besuche. Die bedeutendste Touristenattraktion in Veliko Tarnovo ist eine Festung aus dem 12. Jahrhundert. Im Folgenden überquerte ich das Balkan-Gebirge über den Paß Republikata (700 m) und erreichte die Grenzstadt Svilengrad. Svilengrad präsentiert sich als ein höchst eigenartiger und außergewöhnlicher Grenzort, der insbesondere durch eine große Anzahl großer Glücksspielcasinos geprägt ist. Schon oft bin ich bei meinen Fahrradreisen durch Grenzorte gelangt, die den Charakter von Markt- und Einkaufsstädten haben, die insbesondere von Käufern aus den jeweiligen Nachbarländern aufgesucht werden, wenn z.B. zwischen den jeweiligen Ländern ein Währungsgefälle besteht. Doch in Svilengrad gibt es nahezu keine Geschäfte, sondern nur mehrere große Glücksspielcasinos, die offensichtlich gut besucht werden, obwohl allgemein bekannt ist, daß in Glücksspielcasinos die Betreiber der Casinos gewinnen und die Spieler verlieren. Weiter fahre ich nach Ost-Thrakien, wobei ich u.a. durch die Stadt Edirne/Adrianopel gelange. Im Jahre 125 n. Ch. war diese Stadt durch Kaiser Hadrian ausgebaut worden, und sie erhielt den Namen Hadrianopolis. Nach ihrer Eroberung im Jahre 1362 war Edirne/Adrianopel von 1368 bis zur Eroberung Konstantinopels im Jahr 1453 die Hauptstadt des Osmanischen Reiches (119). Nach rd. 4.500 km Fahrt erreichte ich am 28.07.2023 die Megacity Istanbul und den Bosporus.
Seit der Antike gilt die Meerenge des Bosporus als die Grenze zwischen den Kontinenten Europa und Asien, und er bildet somit das südwestliche Ende Europas. Geografisch betrachtet ist Europa lediglich ein Subkontinent, der gemeinsam mit Asien den Kontinent Eurasien bildet (120). Daß Europa als eigenständiger Kontinent angesehen wird, ist historisch und kulturell begründet. Schon der Geograf und Historiker Herodot von Halikarnassos (ca. 490 – 425 v. Chr.) (121) hatte das nördliche Asien als eine "Fortsetzung Europas" bezeichnet. Daher ist der östlichste Punkt Europas nicht bestimmbar und nicht auffindbar, und bei seiner Suche würde man irgendwann die Küste des Pazifischen Ozeans erreichen. Einen westlichen Punkt in Europa erreichte ich am 19.08.2022 während meiner Fahrradreise durch die südliche Nordseeregion am "Land's End" (5° 43‘ 1,3‘‘ W) im Südwesten von England. Doch „Land‘s End“ ist nicht der westlichste Punkt in Europa. Dieser liegt auch nicht im Westen der Bretagne, den die Römer „Finis terrae“ nannten, da dort die ihnen bekannte Welt ihr westliches Ende im Atlantik zu finden schien. Der westlichste Punkt auf dem Festland in Europa befindet sich auf der Iberischen Halbinsel beim Cabo da Roca (9° 30‘ 2,9‘‘ W). Etwas einfacher bestimmbar ist der nördlichste Punkt Europas: Während meiner Fahrradreise durch das nördliche Europa im Jahre 2017 erreichte ich am 18.09.2017 das Nordkap (71° 10‘ 21‘‘ N). Das Nordkap befindet sich allerdings auf der Insel Magerøya, sodaß als der nördlichste Festlandspunkt in Europa das nahegelegene Kap Kinnarodden (71° 8‘ 2‘‘ N) gilt.
In Istanbul habe ich mich insgesamt acht Tage aufgehalten und habe im historischen Stadtzentrum Sehenswürdigkeiten und Museen besucht. Meine Favoriten sind dort zwei exzellente Museen, das archäologische Museum und das wissenschaftshistorische Museum zur Geschichte der Wissenschaften im Islam, das in Zusammenarbeit mit der Goethe-Universität in Frankfurt am Main konzipiert wurde. Zu meiner Verwunderung sind in diesen beiden exzellenten Museen nur sehr wenige Touristen anzutreffen. Hingegen drängen sich Touristenmassen zu Zehntausenden im Topkapi-Palast, um den überschwänglichen Luxus der osmanischen Sultane zu bestaunen.
Die Theodosianische Landmauer als die größte Stadtmauer in Europa
Am beeindruckendsten ist in Istanbul m.E. die gewaltige "Theodosianische Landmauer" (122), die größte mittelalterliche Stadtmauer in Europa (Siehe Foto im Anhang dieser Email). Sie wurde aus Anlaß der Plünderung der Stadt Rom durch die Goten im Jahre 410 n. Ch. (123) errichtet, um Vergleichbares in Konstantinopel/Byzanz (124) zu verhindern. Diese Plünderung von Konstantinopel erfolgte dann jedoch im Jahre 1204 n. Ch. während des Vierten Kreuzzuges (125), wobei insbesondere der Republik Venedig (126) eine entscheidende Rolle zukommt. Diese Plünderung von Konstantinopel im Jahre 1204 n. Ch. und die Errichtung des Lateinischen Kaiserreiches (127) leitete den Untergang des Byzantinischen Reiches ein, und dieser Untergang fand mit der Eroberung Konstantinopels durch das expandierende Militärimperium des Osmanischen Reiches im Jahre 1453 (128) seinen Abschluß. Diese Ereignisse des Jahres 1453 sind dort Thema eines großen Diaramas mit dem Namen "Panorama 1453".
Die Eroberung von Konstantinopel im Jahre 1453 gilt als ein Markstein der Epochenwende vom Mittelalter zur Neuzeit. In diesen Zusammenhang möchte ich im Folgenden zwei Aspekte hervorheben: a) Der Niedergang der Städte sowie b) die Verlagerung der Welthandelsrouten und der Welthandelszentren in Europa.
a) Über einen Zeitraum von annähernd 1000 Jahren, d.h. über die Spätantike und das gesamte Mittelalter hinweg schützte die Theodosianische Landmauer, die über diesen Zeitraum hinweg die größte Stadtmauer in Europa war, wirkungsvoll die Stadt Konstantinopel, und sie bot ein weit bekanntes Beispiel für die Städte in Europa, die sich ebenfalls mit Stadtmauern schützten und damit auch ein hohes Maß an politischer Unabhängigkeit und Selbstständigkeit wahren konnten. Daher bestand der bedeutendste gesellschaftspolitische Gegensatz im Mittelalter zwischen den meist republikanisch verfaßten Städten und den autokratisch regierten feudalen Flächenstaaten. Insbesondere aufgrund der Entwicklung von Kanonen mit immer zerstörerischer Wirkung boten jedoch Stadtmauern am Ende des Mittelalters immer weniger Schutz. Sultan Mehmet II (= „Mehmet der Eroberer“) (1432-1481) (129) hatte die Eroberung von Konstantinopel zu seiner Lebensaufgabe gemacht und diese über viele Jahre hinweg akribisch und mit großem Aufwand vorbereitet. U.a. ließ er für die Zerstörung der Theodosianischen Landmauer in größerer Zahl die damals weltgrößten Kanonen herstellen, mit deren Einsatz dann tatsächlich die Zerstörung der Mauer und die Eroberung der Stadt gelang. Die Zerstörung der Theodosianischen Landmauer durch die damals weltgrößten Kanonen war ein Fanal, denn sie machte in ganz Europa unübersehbar deutlich, daß die traditionellen mittelalterlichen Stadtmauern keinen Schutz mehr boten. In der Folge wurden in der Frühen Neuzeit neue Festungskonzepte entwickelt, insbesondere das der Zitadelle (130), und entstand eine neue Wissenschaft der Fortifikationswissenschaft (131). Im Vergleich zu den Mauern und Burgen des Mittelalters waren jedoch diese neuen Festungen der Frühen Neuzeit aufwändiger und kostenintensiver, sodaß die Fürsten im Zeitalter des Absolutismus (132) bestrebt waren, ihre Einnahmen mithilfe einer merkantilistischen Wirtschaftspolitik (133) zu steigern, deren Bestandteil die Gründung von Fernhandelskompanien (134) war. Der Kanonenbau und der Festungsbau stehen in einem Wechselverhältnis zueinander: Der Bau von Kanonen mit immer zerstörerischer Wirkung führt zum Bau immer aufwändigerer Fortifikationen. Die Fortentwicklung der Destruktivkraft von Kanonen erreicht später im Ersten Weltkrieg als dem ersten totalen industriellen Krieg und der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts einen (vorläufigen) Höhepunkt, in dem diese als Massenvernichtungswaffe 70% aller Kriegstoten verursachen.
b) Die Eroberung von Konstantinopel im Jahre 1453 unterbrach weitgehend die Fernhandelsverbindungen zwischen Europa und Asien, die durch das Mittelmeer und das Schwarze Meer verliefen und die mit den transkontinentalen Fernhandelsrouten in Asien verbunden waren. Dies förderte die Suche nach alternativen Seehandelsrouten nach Südasien und Südost-Asien über den Atlantischen und den Indischen Ozean, wobei u.a. der Kontinent Amerika entdeckt wurde. Der Handel über das Mittelmeer verlor an Bedeutung, und ebenso die bislang dominierenden Fernhandelszentren in der Mittelmeerregion, wie z.B. Venedig und Genua. Diese wurden von neuen Fernhandelszentren in der südlichen Nordseeregion abgelöst, wie Amsterdam, Antwerpen und London, in denen der Fernhandel über Handelskompanien (134) betrieben wurde, die mit weitgehenden Privilegien und Vollmachten ausgestattet waren, einschließlich des Rechts zur Eroberung und quasi-staatlichen Verwaltung von Kolonien in Übersee. Herausragende Beispiele dieser Handelskompanien sind die Britische Ostindien-Kompanie (EIC) (135), die Niederländische Ostindien-Kompanie (VOC) (136) und die französische Ostindien-Kompanie (137).
Megacitys und die Zukunft der Menschheit im real-existierenden Weltsystem
Die Megacity (138) Istanbul hat heute 15 bis 18 Millionen Einwohner – die genaue Zahl ist nicht bekannt – und die suburbane Metropolregion dieser Megacity wuchert ungeregelt und planlos in alle Richtungen und insbesondere entlang der Küsten des Marmarameeres. Mittlerweile ist die Siedlungsfläche der Megacity Istanbul mit der Siedlungsfläche der Dreimillionenstadt Bursa zu einer riesigen suburbanen Agglomeration zusammengewachsen, die heute, wie ich feststellen kann, die gesamte nordöstliche Hälfte des Marmarameeres von Tekirdağ bis Mudanya umfaßt. Insbesondere die Stadt Bursa weist ein rasantes Bevölkerungswachstum auf, und ihre Einwohnerzahl hat sich seit 1970 von rd. 200.000 Einwohnern auf heute mehr als 3 Mio. Einwohner mehr als verzehnfacht. Bei weiterem Anhalten dieser Entwicklungsdynamik ist abzusehen, daß diese riesige suburbane Agglomeration im Südosten Europas in naher Zukunft um das gesamte Marmarameer herum wuchern wird. Noch gelangt man heute in der Südwest-Hälfte des Marmarameeres durch Ländlichen Raum, der noch nicht in suburbanes Bau- und Siedlungsland umgewandelt worden ist und von Baustellen dominiert wird, wie dies in der Nordost-Hälfte der Marmarameerregion der Fall ist. Die Mehrheit der Menschheit wird in wenigen Jahrzehnten in Megacitys mit 10 bis 50 Millionen Einwohnern leben, und eine solche Megacity kann man mit der Metropolregion Istanbul-Bursa im Südosten Europas besuchen und studieren.
Es stellt sich die Frage nach der Rolle der weltweit zunehmenden und rasant anwachsenden Megacitys im gegenwärtigen real-existierenden Weltsystem. M.E. haben diese Megacyties den Charakter und die Funktion von Abschieberäumen und Verwahranstalten der globalen Überschußbevölkerung, die aus dem Ländlichen Raum verdrängt wird, da sich dort weltweit immer mehr die riesigen agrarindustriellen Monokulturen auf Kosten der traditionellen Subsistenzwirtschaft der Menschen im Ländlichen Raum ausweiten. Die Menschen verlassen nicht freiwillig den Ländlichen Raum und geben ihre traditionelle Subsistenzwirtschaft auf, sondern sie werden dazu genötigt. Auf der Suche nach Existenzmöglichkeiten roden die aus dem Ländlichen Raum verdrängten Menschen in Naturschutzgebieten Land oder sie siedeln in den anwachsenden Slums an den Rändern der Städte. Die Urbanisierung nimmt weltweit rasant zu. Schon in wenigen Jahrzehnten wird weltweit die Mehrzahl der Menschen in Megacitys mit 10 bis 50 Mio. Einwohnern leben.
Die riesigen agrar- und forstindustriellen Monokulturen werden sich global auch in Zukunft weiter ausweiten, die Menschen aus dem Ländlichen Raum verdrängen, die Biodiversität dramatisch verringern und das rasante Artensterben weiter forcieren, wenn mithilfe des Konzepts eines sogenannten „Grünen Wachstums“, das im Rahmen eines „Green New Deal“ umgesetzt werden soll, das Dogma des permanenten Wirtschaftswachstums gerettet werden soll. Der aktuellen Kampagne um das Thema "Klimawandel" kommt die Aufgabe zu, das Konzept eines "Green New Deal" durchzusetzen und umzusetzen. Nicht zufällig hat diese Kampagne ihren Ursprung in den USA. M.E. geht es um die Rettung des Lebensstils des "American Way of Life" sowie der Konsumkultur der fortgeschrittenen Industriegesellschaft, und die Kampagne entspricht den Interessen der Industrie. In diesem Rahmen hat die aktuelle Kampagne zum Thema "Klimawandel" die Aufgabe, der Konsequenz einer Änderung sowohl unserer Lebensweise, als auch unserer Wirtschaftsweise auszuweichen und sie abzuwenden, damit alles so bleiben kann, wie es ist, und insbesondere soll das Dogma des permanenten Wirtschaftswachstums nicht beeinträchtigt und in Frage gestellt werden. Die im Zuge dieser Kampagne vertretene Sichtweise auf den Problemkomplex entspringt einer spezifischen Problemwahrnehmung aus den gesellschaftlichen Besonderheiten einer us-amerikanischen Binnenperspektive und sie ist in dieser Form nicht globalisierbar. Schon in Europa kann man auf Grundlage anderer historischer Erfahrungen zu anderen Einschätzungen und Ergebnissen gelangen. Umso mehr muß dies auf anderen Kontinenten der Fall sein.
Bei der aktuellen Kampagne zum Thema „Klimawandel“ besteht das Problem, daß die Vielfalt, Komplexität und die Interdependenzen globaler Naturzerstörungen auf einen einzigen Begriff reduziert werden, den sogenannten "Klimawandel". M.E. geht es in dieser groß inzenierten Kampagne darum, daß wir in Konsequenz der globalen Naturzerstörungen, dem Verlust an Biodiversität und dem rasanten Artensterben nicht unsere Lebens- und Wirtschaftsweise ändern müssen, daß vielmehr alles so bleiben kann, wie es ist. Mit einem "Green New Deal" erfolgt ein "Greenwashing" der fortgeschrittenen Industriegesellschaft. Naturschutz und Naturschützer sind dabei ein Hindernis, denn es werden die eh schon in der industriellen Land- und Forstwirtschaft bestehenden Monokulturen in weit größerem Umfang ausgeweitet werden müssen, um den Rohstoffhunger der weiterhin am Wirtschaftswachstumsdogma festhaltenden fortgeschrittenen Industriegesellschaft befriedigen zu können, und ebenso die Konsumerwartungen der weiter anwachsende Weltbevölkerung, die weltweit gemäß dem "American Way of Life" leben möchte, denn dieser wurde mittlerweile massenmedien-vermittelt und entwicklungspolitisch gefördert zum globalen Standard. Die Forderung der Naturschützer nach einer Änderung unserer Lebens- und Wirtschaftsweise paßt hier nicht hinein, denn das Entwicklungs- und Glücksversprechen für mehrere Milliarden Menschen müßte enttäuscht werden. Die weitere Zuspitzung der globalen Krise erscheint daher unvermeidlich. Sowohl Landflucht, als auch Urbanisierung nehmen weltweit weiter zu.
Erforderlich ist daher ein anderes Entwicklungsmodell, das im Gegensatz zur Konsum- und Wegwerfgesellschaft globalisierbar ist, das ohne ein Dogma permanenten Wirtschaftswachstums auskommt und das mit einer Änderung sowohl unserer Lebensweise, als auch unserer Wirtschaftsweise einher geht. In einem weltweiten Maßstab benötigen die Menschen insbesondere den Erhalt und die Förderung von Perspektiven im Ländlichen Raum und ein Ende ihrer Verdrängung. Dieses wird im Konzept des „Green New Deal“ ignoriert, da der Blick ausschließlich auf die Verhältnisse in den USA beschränkt ist. Anstatt weiterem Wirtschaftswachstum ist vielmehr eine stationäre Wirtschaft im Sinne von Subsistenwirtschaft gefordert. Hier geht es primär um die Änderung unseres Lebensstils. Es geht um Entschleunigung, einfaches Leben, Lebensreform und Selbstversorgung. Meines Erachtens muß bei der Suche nach Alternativen hier angesetzt werden. Ich denke hier u.a. z.B. an die Lebensreformbewegung (139).
Die Mehrheit der Megacities ist durch permanente ökologische, soziale und gesundheitliche Krisen und Ausnahmezustände geprägt. Dies kann man am Beispiel der heute schon bestehenden Megacities studieren. Im Zuge der sich zuspitzenden multiplen Globalkrise wird der Ausnahmezustand zukünftig der globale Dauerzustand sein. Die Verfassungswirklichkeit des Ausnahmezustands ist der Maßnahmenstaat (140). Willkommen im extremen 21. Jahrhundert, in dem der Totalitarismus digitaltechnisch modernisiert neu erfunden wird: Anstatt Alternativen zuzulassen und zu entwickeln, wurde stattdessen mittlerweile präventiv mithilfe der neuen Möglichkeiten der digitalen Technik ein flächendeckendes globales Überwachungs- und Kontrollregime errichtet, das die gesamte Menschheit erfaßt, und die Ereignisse des 11.09.2001 lieferten dafür den Vorwand (141).
Ethnische Säuberungen und das extreme 20. Jahrhundert
Nach meinem Besuch der Megacity Istanbul setzte ich meine Fahrradreise entlang der Südküste des Marmarameeres hin zur Meerenge der Dardanellen fort. Dabei gelangte ich westlich der Stadt Mudanya durch das ehemalige griechische Dorf Triglia, das heute Tirilye heißt (142). Tirilye/Triglia ist ein Beispiel von zahlreichen weiteren Ortschaften in Kleinasien, die von ihren Einwohnern im Zuge des griechisch-türkischen Bevölkerungsaustausches (143) auf Grundlage des Vertrags von Lausanne von 1923 (144) verlassen werden mußten. Der griechisch-türkischen Bevölkerungsaustausches schuf als „Modell Lausanne“ einen Präzedenzfall für nachfolgende Zwangsmigrationen, Ethnische Säuberungen, Deportationen und Vertreibungen im 20. Jahrhundert.
Auf internationaler Ebene traten insbesondere westeuropäische Politiker und Wissenschaftler für ethnische Säuberungen ein, und dies zeigt, wie wichtig es ist, die Ebene der internationalen Politik und den dort bestehenden Konsens zu einem System homogener Nationalstaaten zu betrachten. In der internationalen Politik schuf die während der Konferenz von Lausanne am 30.01.1923 vereinbarte Konvention zum Bevölkerungsaustausch zwischen Griechenland und der Türkei, die Bestandteil des Vertrags von Lausanne vom 24.07.1923 war, als „Modell Lausanne“ einen Präzedenzfall für nachfolgende Vertreibungen, was der Historiker Philipp Ther in seinem Buch: „Die Außenseiter. Flucht, Flüchtlinge und Integration im modernen Europa“ hervorhebt: „Während das Leid der Flüchtlinge rasch in Vergessenheit geriet, priesen Politiker aus ganz Europa das Abkommen von Lausanne als Modell zur Beilegung von Konflikten zwischen verfeindeten Nationen. Das Stichwort ‚Lausanne‘ diente von 1937 bis 1947 als Referenzpunkt für ein knappes Dutzend internationaler Abkommen, in denen massenhafte Bevölkerungsverschiebungen vereinbart und geregelt wurden. Ein näherer Blick auf das türkisch-griechische Verhältnis zeigt, dass die Konflikte mitnichten gelöst waren“ (145).
Der Experte für Völkerrecht Alfred-Maurice de Zayas bestätigt in seinem Buch: „Die Nemesis von Potsdam. Die Anglo-Amerikaner und die Vertreibung der Deutschen“, daß das „Modell Lausanne“ einen Präzedenzfall für nachfolgende Vertreibungen im 20. Jahrhundert schuf: „Nach dem Ersten Weltkrieg setzte sich dann die gewaltsame Umsiedlung als politisches Prinzip (…) allgemein durch. Der Vertrag über den Bevölkerungsaustausch zwischen Griechenland und der Türkei, von dem etwa zwei Millionen Menschen betroffen waren, wurde zum historischen Markstein, weil ihm der Völkerbund zustimmte und seine Durchführung überwachte – ein unheilvolles Vorzeichen dessen, was später kam“ (146). Von den Zwangsmigrationen im Rahmen des Bevölkerungsaustausch zwischen Griechenland und der Türkei waren ca. 1,6 Mio. Personen betroffen, darunter ca. 1,2 Mio. Griechen in Kleinasien sowie ca. 400.000 Muslime in Griechenland. Der gewaltsame Bevölkerungsaustausch führte zu einem abrupten Ende der seit der Antike über einen Zeitraum von 2.500 Jahren bestehenden Siedlungskontinuität von Griechen in Kleinasien sowie zu einem Ende der seit fast 500 Jahren bestehenden muslimischen Gemeinden in Griechenland. Das „Modell Lausanne“ wurde in der internationalen Politik zum Präzedenzfall für nachfolgende Vertreibungen und Ethnische Säuberungen im extremen 20. Jahrhundert, sodaß das 20. Jahrhundert zu einem extremen Jahrhundert werden konnte, dessen Alleinstellungsmerkmal als einem extremen Jahrhundert insbesondere Ethnische Säuberungen sind. Ethnische Säuberungen wurden zu einem international akzeptablen Mittel, das versprach, innen- und außenpolitische Probleme wirksam und nachhaltig zu lösen, und immer häufiger und in wachsendem Umfang wurde darauf zurückgegriffen. Das Beispiel der Griechen und weiterer Minderheiten Kleinasiens, wie insbesondere der Armenier (147), zeigt, daß der Übergang von Ethnischen Säuberungen zum Genozid fließend ist, daß beide Phänomene nicht voneinander getrennt werden können, sondern gemeinsam betrachtet und analysiert werden müssen.
Ethnische Säuberungen sind auch in der Gegenwart noch Realität in Europa, wie insbesondere das Beispiel des Zerfalls des ehemaligen Jugoslavien zeigt, und die Idee des ethnisch homogenen Nationalstaats ist auch heute weiterhin das Ideal und Leitbild der Politik. Der Nationalstaat ist heute die weltweit einzige allgemein akzeptierte Organisationsform der Menschen, und überall werden sie genötigt, sich als Nationen zu organisieren. Noch immer findet auch gewaltsam „Nation Building“ (148) statt. Vertreibungen, Ethnische Säuberungen, Terrorismus, Konflikte und Kriege sind die Folgen und werden billigend in Kauf genommen.
Südost-Europa bietet hierfür ein idealtypisches Beispiel. Die Region Südost-Europa, die auch als Balkanraum bezeichnet wird, umfaßt eine Fläche von über 960.000 km² mit rund 90 Millionen Einwohnern (149). Noch mehr als das östliche Europa ist Südost-Europa durch eine hochgradige Gemengelage der verschiedenen Sprachgruppen, Ethnien und Religionen geprägt, wie ein Blick auf eine Siedlungskarte unübersehbar erkennen läßt. Somit ist Südost-Europa die Region in Europa, die sich am wenigsten dafür eignet, dort das Modell des homogenen Nationalstaates im Zuge von „Nation Building“ durchsetzen zu wollen. Doch genau dieses wird bis heute immer wieder versucht. Daher ist heute diese Region insbesondere durch ethnonationale Konflikte bekannt. Doch noch vor 200 Jahren gab es dort weder Nationalstaaten, noch nationale Mehr- oder Minderheiten. Diese sind ein Produkt des 19. und des 20. Jahrhunderts, wie der Historiker Holm Sundhausen in seinem Text: „Staatsbildung und ethnisch-nationale Gegensätze in Südosteuropa“ erklärt: „Wie in anderen europäischen Regionen, so hat sich auch in Teilen des Balkanraums die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung im Laufe des 20. Jahrhunderts infolge von Flucht und Auswanderung einerseits sowie Vertreibung, Umsiedlung und Massenmord andererseits grundlegend verändert. Mit der Bildung von Nationen als imaginierten Abstammungs- bzw. Blutsgemeinschaften sowie der Durchsetzung des Nationalstaatsprinzips bzw. des Rechts auf nationale Selbstbestimmung in einer Region, die durch extreme ethnische Gemengelagen geprägt war, setzte ein säkularer Prozess mehr oder minder gewaltsamer Abgrenzungen und Bevölkerungsverschiebungen ein“ (150). Holm Sundhausen hebt hervor, daß mit jeder neuen Staatsbildung und Grenzveränderung die Zahl der Minderheiten zunahm: „Staats-, Nations- und Minderheitenbildung sowie Ethnozid (…) bedingten sich wechselseitig“ sodaß im „Balkanraum im vergangenen Jahrhundert über zehn Millionen Menschen Opfer unfreiwilliger Migration geworden“ sind (151). Dieser Prozeß wird „Balkanisierung“ genannt.
In Südost-Europa erreichten die ethnonational bedingten Flüchtlingsströme und Vertreibungen sowie andere Formen „ethnographischer Flurbereinigungen“, wie Deportationen, Ethnische Säuberungen und Genozide ihren Höhepunkt in drei Kriegsperioden des 20. Jahrhunderts:
1. Der Kriegsperiode in den Jahren 1912 bis 1923 mit den Balkankriegen (152) der Jahre 1912 und 1913, und dem griechisch-türkischen Krieg (153), der sich in den Jahren 1919 bis 1922 nach der Auflösung des Osmanischen Reiches ereignete, und der mit dem erwähnten Bevölkerungsaustausch zwischen Griechenland und der Türkei endete, der während der Konferenz von Lausanne am 30.01.1923 vereinbart worden war, und der Bestandteil des Vertrags von Lausanne vom 24.07.1923 war, und der als „Modell Lausanne“ in der internationalen Politik zum Präzedenzfall für nachfolgende Vertreibungen im extremen 20. Jahrhundert wurde.
2. Während des Zweiten Weltkriegs.
3. Den vier Jugoslawienkriegen (154): Dem 10-Tage-Krieg, dem Kroatienkrieg, dem Bosnienkrieg und dem Kosovokrieg, die sich in den Jahren von 1991 bis 1999 ereigneten.
Der Historiker Karl Schlögel zeigt in seinem Text: „Bugwelle des Krieges“ auf, daß mit dem Krieg in Jugoslawien in den 90er Jahren die Bilder zurückgekehrt sind, die man in Europa längst vergessen hatte: „Wiedergekehrt war mit einem Mal auch das Vokabular, das in Europa seit den unmittelbaren Nachkriegsjahren nicht mehr in Gebrauch gewesen war. Es gab wieder Lager in unendlich vielen Varianten – Sammel-, Filtrations-, Durchgangs- und Auffanglager. Europa wimmelte plötzlich wieder von einer Spezies, von der man geglaubt hatte, sie sei ausgestorben oder komme nur noch in weit entlegenen und exotischen Weltgegenden vor: Flüchtlinge, Vertriebene, Displaced Persons. Das 20. Jahrhundert, das eben dabei war, sich zu verabschieden, hatte sich noch einmal zu erkennen gegeben als das ‚Jahrhundert der Flüchtlinge‘, der gewaltsamen Bevölkerungsverschiebungen und der ethnischen Säuberungen“ (155).
Derzeit entstehen mit Programmen von „Nation Building“ insbesondere in Südost-Europa eine Vielzahl von Kleinststaaten, die sich wie „echte“ Nationalstaaten gebärden sollen, mit allen dazugehörigen Attributen, einschließlich „säbelschwingender Reiterstandbilder“ (156) in den Hauptstädten. Im heutigen internationalen System ist das Konzept von Kleinstaaten nach Auffassung des Historikers Eric J. Hobsbawm in seinem Buch: „Nationen und Nationalismus“ jedoch sinnlos: „Gegen die Kleinstaaterei heute, zumindest in ihrer ethnisch-sprachlichen Form, spricht jedoch nicht nur, daß sie keine Lösung für die aktuellen Tagesprobleme bereithält, sondern auch, daß sie diese noch erschwert, sofern die betreffende Bewegung die Macht hat, ihr politisches Programm auch in die Praxis umzusetzen. Kulturelle Freiheit und Pluralismus sind gegenwärtig zweifellos besser gewährleistet in größeren Staaten, die sich dessen bewußt sind, daß sie Vielvölkerstaaten sind, in denen viele Kulturen nebeneinander bestehen, als in kleinen, die das Ideal einer ethnisch-sprachlichen und kulturellen Homogenität anstreben“ (157). Der Historiker Hans-Ulrich Wehler hebt in seinem Buch: „Nationalismus. Geschichte, Formen, Folgen“ hervor: „Die uneingeschränkte Garantie aller Grundrechte, dazu der regionalen und kulturellen Autonomie in einem föderalistischen Staatensystem sollte endlich eine höhere Priorität genießen als das im Zeitalter der Globalisierung ohnehin verblassende Ideal des souveränen Nationalstaats. Die Gewährleistung dieser Rechte würde den Menschen jenes ersehnte Maß an Autonomie verschaffen, das ursprünglich vom Hoffnungsziel des Selbstbestimmungsrechts der Völker verkörpert wurde“ (158).
Eine solche Auffassung vertritt auch der Philosoph Jürgen Habermas in seinem Text: „Vom Sinn und Unsinn nationaler Selbstbestimmung“: „Die Forderung nach Selbstbestimmung kann unmittelbar nur die Durchsetzung gleicher Bürgerrechte zum Inhalt haben. (…) Eine Sezessionsforderung ist erst dann berechtigt, wenn die zentrale Staatsgewalt einem Teil der Bevölkerung (…) seine Rechte vorenthält. (…) Solange nämlich alle Bürger gleiche Rechte genießen und niemand diskriminiert wird, besteht kein normativ überzeugender Grund zur Separierung vom bestehenden Gemeinwesen. Unter dieser Voraussetzung kann nämlich von Repression und ‚Fremdherrschaft‘, die Minderheiten das Recht zur Sezession gäben, nicht die Rede sein. Dem entspricht auch die Beschlußlage der UN-Generalversammlung, die in Übereinstimmung mit der UN-Charta zwar allen Völkern ein Recht auf Selbstbestimmung garantiert, aber ohne den Begriff ‚Volk‘ im ethnischen Sinne festzulegen. Ausdrücklich verneint wird ein Sezessionsrecht“ (159). Bezüglich der UN-Charta führen dies die Völkerrechtler Alfred Verdross und Bruno Simma in ihrem Buch: „Universelles Völkerrecht. Theorie und Praxis“ näher aus: „Hingegen wird ein Sezessionsrecht, also ein Anspruch auf Losreißung von solchen Staaten, die sich in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Gleichberechtigung und des Selbstbestimmungsrechts der Völker verhalten, und daher eine das ganze Volk vertretende Regierung, ohne Diskriminierung von Rasse, Glaube und Farbe besitzen, ausdrücklich verneint“ (160). Zur Vermeidung von Diskriminierungen stellt Habermas das Konzept einer „differenzempfindlichen Inklusion“ vor: „Im allgemeinen kann Diskriminierung nicht durch nationale Unabhängigkeit, sondern nur durch eine Inklusion abgeschafft werden, die für den kulturellen Hintergrund individueller und gruppenspezifischer Unterschiede hinreichend sensibel ist“, und Habermas führt „verschiedene Wege zum prekären Ziel einer ‚differenzempfindlichen‘ Inklusion“ auf: „die föderalistische Gewaltenteilung, eine funktional spezifizierte Übertragung bzw. Dezentralisierung von staatlichen Kompetenzen, vor allem die Gewährung kultureller Autonomie, gruppenspezifische Rechte, Politiken der Gleichstellung und andere Arrangements für einen effektiven Minderheitenschutz“ (161).
Vom Marmarameer an die Dardanellen und durch das nördliche Griechenland
Bei der Meerenge der Dardanellen besuchte ich die archäologische Städte der berühmten antiken Stadt Troja (Siehe Foto im Anhang dieser Email), und die Archäologen haben dort gegliedert in verschiedene Epochen eine Siedlungskontinuität von rd. 5000 Jahren nachgewiesen. Zweifellos hat die antike Stadt Troja eine sehr günstige verkehrsgeographische Lage am Übergang der Dardanellen ins Ägäische Meer, was die lange Siedlungskontinuität begründet. An der Ägäisküste Kleinasiens gibt es weitere bedeutende archäologische Stätten aus der Antike, wie insbesondere Pergamon und Ephesus, doch deren Besuch hätte den Rahmen meiner Südost-Europa-Fahrradreise vollends überdehnt, und sie müssen Ziel einer weiteren Reise zu einem späteren Zeitpunkt sein.
Bei meiner Weiterfahrt überquerte ich bei Çanakkale per Fähre die Meerenge der Dardanellen zum gegenüberliegenden Hafenort Kilitbahir und fuhr über die Halbinsel Gallipoli weiter. In der Hafenstadt Gelibolu erinnern zwei Denkmäler an den Kartografen Piri Reis (1470-1554) (162), der als einer der Ersten im Jahre 1513 eine Karte erstellte, in der der amerikanische Kontinent eingezeichnet ist (163). Weiter fahre ich um den Golf von Saros am Ägäischen Meer. Ich erreiche die Stadt Alexandrupolis und fahre durch West-Thrakien weiter zur Hafenstadt Kavála. Bedeutendste Sehenswürdigkeiten sind dort ein Aquädukt aus der Römerzeit und eine byzantinische Festung. Am zentralen Platz Eleftherias in Hafennähe befindet sich ein Denkmal, das an Alexander III. von Makedonien (= Alexander der Große) (356-323 v. Ch.) (164) erinnert, und es wird ein Auszug aus einer von ihm im Jahre 324 v. Ch. gehaltenen Rede zitiert, in der er Gleichberechtigung und Gleichbehandlung aller Einwohner in dem von ihm geschaffenen Alexanderreich (165) verkündet.
Im Zuge des griechisch-türkischen Bevölkerungsautausches auf Grundlage des Vertrags von Lausanne 1923 ist die Einwohnerzahl der Stadt Kavála um das Vierfache angewachsen. In die Stadt Kavála, die damals nicht viel mehr als 20.000 Einwohner hatte, war eine große Zahl von annähernd 80.000 Flüchtlingen gelangt. Zu diesem Thema gibt es dort ein „Museum of Greek Refugees“, das ich besuche. Im gesamten Europa sind die Ethnischen Säuberungen, Zwangsmigrationen, Deportationen und Vertreibungen des extremen 20. Jahrhunderts bislang nur sehr unzureichend aufgearbeitet, und Museen, die sich diesem Themenkomplex widmen, sind weiterhin eine Seltenheit. Das Thema ist im gesamten Europa unbequem und unerwünscht. Die Ethnischen Säuberungen, Zwangsumsiedlungen, Vertreibungen und Deportationen des extremen 20. Jahrhunderts, die die heutige Welt der homogenen Nationalstaaten schufen, dürfen nicht in Frage gestellt werden, und der durch diese Verbrechen erreichte Zustand wird hartnäckig verteidigt. Flüchtlinge, Deportierte und Vertriebene sollen mit ihren Anliegen nicht öffentlich in Erscheinung treten, sie sollen den Mund halten, sich anpassen und assimilieren. Mich interessiert hier beim „Museum of Greek Refugees“ insbesondere das museumspädagogische Konzept und wie das Thema präsentiert wird. Das Museum besteht aus drei kleinen Räumen, in denen insbesondere Dinge ausgestellt sind, die die Flüchtlinge aus Kleinasien mitgebracht haben, und die Bestandteil ihres Lebens in Kleinasien waren. Ihre wesentliche Bedeutung haben diese Exponate als Erinnerungsträger, und mit jedem Gegenstand ist eine umfangreiche Geschichte verbunden, die es zu vermitteln gilt. Dieses leisten die beiden Kuratoren des Museums im Rahmen von Führungen durch das Museum.
Weiter fahre ich nach Thessaloniki. Dort besuche ich zwei exzellente Museen: Das Museum für byzantinische Kultur (166) und das Archäologische Museum. Insgesamt besuche ich in Nord-Griechenland mehrere bedeutende archäologische Stätten ehemaliger antiker Städte: Der Stadt Philippi, der Stadt Amphipolis, der Stadt Argilos, der Stadt Stagira, die insbesondere als Geburtsort des Philosophen Aristoteles (384-322 v. Chr.) (167) bekannt ist, und der Stadt Pella, dem Geburtsort von Alexander III. von Makedonien (= Alexander der Große) (356-323 v. Chr.).
Weiter fuhr ich im Tal des Flusses Axios/Vadar nach Nord-Mazedonien. Dort besuchte ich die archäologische Stätte der antiken Stadt Stobi und erreichte dann die Stadt Skopje am Fluß Vardar/Axios. Entlang des Flußufers reihen sich dort zahlreiche große, repräsentative Gebäude und insbesondere eine kaum zu überblickende Zahl großer Denkmäler. Sicherlich ist Skopje die Stadt mit den meisten großen Denkmälern, sowohl was deren Gesamtzahl anbelangt, als auch im relationalen Verhältnis zur Stadtgröße und zur Bevölkerungszahl. Das größte und zentralste dieser zahlreichen Denkmäler ist ein Reiterstandbild im Zentrum des Platzes Plostad Makedonija, das Alexander III. von Makedonien (= Alexander der Große) (356-323 v. Chr.) mit erhobenem Schwert darstellt. Hingegen würde es Alexander III. von Makedonien sicherlich bevorzugen, wenn mit seiner Rede aus dem Jahr 324 v. Chr. an ihn erinnert würde, wie es in der Stadt Kavála der Fall ist. Doch Verstorbene haben keine Mitsprachemöglichkeiten und keine Rechte, und sie können nach Belieben geschichtspolitisch instrumentalisiert werden. Das Genre des „säbelschwingenden Reiterstandbildes“, das sich in den europäischen Hauptstädten konzentriert, ist ein Charakteristikum des Zeitalters des modernen Nationalismus, und es existiert nicht in der Ikonografie der Antike und des Mittelalters.
Bei meiner Weiterfahrt folge ich dem Verlauf des Flusses Morava zur Donau. Dort besuche ich die archäologische Stätte der antiken Stadt Viminacium (168). Während der Römerzeit war Viminacium die Hauptstadt der Provinz Moesia superior mit ca. 40.000 Einwohnern. Die nahegelegene Stadt Smederovo liegt an der Einmündung des Flusses Jezava in die Donau. Hier gibt es eine in den Jahren 1428 bis 1430 erbaute Festung, deren Mauern der damals noch unbeschädigten Theodosianischen Landmauer von Konstantinopel gleichen, die offensichtlich beim Bau zum Vorbild genommen wurde. Doch auch diese Festung in Smederovo wurde im Jahre 1459 vom expandierenden osmanischen Militärimperium erobert, und dessen Armeen belagerten in den Jahren 1523 und 1683 sogar die Stadt Wien (169).
Planungsleitbilder im Zeitalter der industriellen Moderne
Entlang der Donau erreiche ich die Stadt Belgrad (170), die an der Einmündung des Flusses Save/Sava in die Donau liegt. Die Stadt Belgrad ist eine der größten und bedeutendsten Metropolen sowohl an der Donau, als auch im gesamten südöstlichen Europa. Da es bei Belgrad keinen zentrumsnahen Campingplatz gibt, quartiere ich mich in einem Hostel ein, um im Rahmen von Stadtexkursionen und Museumsbesuchen die Stadt näher kennenzulernen. Im Stadtgebiet von Belgrad verläuft entlang der Donau ein gut ausgebauter und ausgeschilderter Abschnitt des Donau-Radweges (= Eurovelo 6). Doch dieser gute Ausbauzustand des Donauradweges endet alsbald an den Stadtgrenzen von Belgrad. Zwar gilt der Donau-Radweg (= Eurovelo 6) als der beliebteste und am meisten befahrene Fahrrad-Fernwanderweg in Europa, der von rd. 150.000 Fahrradreisenden pro Jahr genutzt wird, doch dies gilt, wie ich feststellen kann, nur für die oberen Abschnitte, die durch Deutschland und Österreich verlaufen, und vielleicht noch für den weiteren Abschnitt bis Budapest. Der gesamte untere Teil des Donau-Radwegs, der durch das südöstliche Europa verläuft, wird hingegen kaum von Fahrradreisenden befahren, und auch der Ausbauzustand und die Ausschilderung sind dort oft mangelhaft. Wie schon dargestellt sind im gesamten südöstlichen Europa rein automobile Gesellschaften entstanden und das Fahrrad hat als Verkehrsmittel keinerlei Bedeutung. Verkehrs- und Stadtplanung sind überall im südöstlichen Europa gemäß dem Leitbild autogerechter Planung auf die Förderung des KFZ-Verkehrs ausgerichtet, und, wie ich feststellen mußte, leistet insbesondere die EU im südöstlichen Europa große Aufwendungen, um die Infrastruktur für den KFZ-Verkehr auszubauen und auszuweiten, und dies auch in den Nicht-Mitgliedsstaaten.
Heute hat sich der Automobilismus weltweit durchgesetzt, er prägt das Zeitalter der Industriellen Moderne, und er präsentiert sich als alternativlos. Weltweit wird der Automobilismus durch die Verkehrs- und Stadtplanung gemäß dem Planungsleitbild der „autogerechten Planung“ gefördert, und dies erfolgt ebenso im gesamten Europa. Schon vor 1989/90 war die Verkehrs- und Stadtplanung sowohl der westlichen, als auch der östlichen „realsozialistischen“ Variante der Industriellen Moderne alternativlos auf das Planungsleitbild der „autogerechten Planung“ ausgerichtet, das die permanente Mobilisierung, Mobilmachung und Beschleunigung aller Bereiche der Gesellschaft zum Ziel hat, um permanentes Wirtschaftswachstum zu gewährleisten. Hierbei wird die Gesellschaft als eine große, zweckrational zu optimierende Maschine verstanden, einem Anspruch, dem auch die Stadt-, Verkehrs- und Bauplanung zu genügen hat. In idealtypischer Weise sind derartige Konzepte theoretisch ausgearbeitet und praktisch umgesetzt worden insbesondere von Le Corbusier (1887-1965), Oscar Niemeyer (1907-2012) und Vertretern der „Charta von Athen“ (171). Gemäß der Planungsphilosophie des Architekten und Stadtplaners Le Corbusier ist das Haus eine „Maschine zum Wohnen“. Individuelle Lebensäußerungen, die nicht den funktionalen Vorgaben dieser am Modell einer Maschine orientierten Planungskonzepte entsprechen, müssen als eine zu behebende Störgröße und als zu sanktionierende Ordnungswidrigkeit erscheinen. Die Stadt-, Verkehrs- und Bauplanung sowohl der westlichen, als auch der östlichen, real-sozialistischen Variante der industriellen Moderne hatten gleichermaßen alternativlos das Planungsleitbild der „autogerechten Stadt“ zur Grundlage, und dies ist eins von vielen Beispielen der alternativlosen Konvergenz der westlichen und der östlichen, „real-sozialistischen“ Variante der industriellen Moderne. Idealtypisch ist die Planungsphilosophie von Le Corbusier bei der von ihm geplanten und ab 1952 erbauten Planstadt Chandigarh (172) realisiert worden, die ich während meiner Südasien-Reise am 16. und 17.11.2019 besucht habe. In Belgrad ist ab 1948 gleichfalls ein großer Stadtteil mit dem Namen „Novi Beograd“ (173) nach den architektonischen Ideen von Le Corbusier errichtet worden, den ich am 20.10.2023 im Rahmen meiner Stadtexkursionen besuchte. Ebenso wie Candigarh ist Novi Beograd in rechtwinklige Planquadrate eingeteilt, zwischen denen vielspurige Autostraßen verlaufen. In Novi Beograd sind diese Planquadrate mit den „Wohnmaschinen“ der industriellen Moderne ausgefüllt, die dort wie auch im gesamten Raum zwischen Magdeburg und Wladiwostok im Plattenbaustil erbaut wurden. Im Gegensatz zur westlichen Variante der industriellen Moderne gelang es der östlichen, „realsozialistischen„ Variante der industriellen Moderne jedoch nicht, die errichteten autogerechten Planungslandschaften mit großen und schnellen Automobilen zu bevölkern. Dieses erfolgt nun seit 1989/90 in Form einer nachholenden Modernisierung, wobei die östliche Hälfte Europas mit großen und schnellen West-Autos geradezu überschwemmt wird. Das unbegrenzte Herumhasten mit großen und schnellen West-Autos gilt seither in der gesamten östlichen Hälfte Europas zwischen Magdeburg und Wladiwostok, Murmansk und Istanbul als die Verwirklichung des Freiheits- und Glücksversprechens der Epochenwende von 1989/90, sodaß seit 1989/90 in der gesamten östlichen Hälfte Europas rein automobile Gesellschaften entstanden sind, heute der Automobilismus dort alternativlos ist und das Fahrrad als Verkehrsmittel keinerlei Bedeutung hat.
Stadt- und Verkehrsplanung präformiert und prädisponiert die Gesellschaft, und sie sind Ausdruck der jeweils herrschenden Paradigmen und Ideologien. So kommen seit 1989/90 in der östlichen Hälfte Europas neue Planungskonzepte zum Tragen, in denen die Konsumkultur der fortgeschrittenen Industriegesellschaft zur Ausprägung gelangt. Ein Beispiel bietet der Stadtteil „Beograd na vodi“ östlich des Flusses Save, der derzeit mit zahlreichen Großbaustellen weiter anwächst. Hier, gegenüber dem westlich der Save gelegenen Stadtteil Novi Beograd entsteht ein städtebaulich neues Konzept urbaner Modernität, das sich in verschiedenen Aspekten vom hegemonialen städtebaulichen Planungsleitbild des 20. Jahrhunderts, das insbesondere durch der „Carta von Athen“ geprägt wurde, verabschiedet. Das neue städtebauliche Konzept ist nun für die Konsumkultur der fortgeschrittenen Industriegesellschaft optimiert, die nun nach 1989/90 im gesamten Europa die hegemoniale gesellschaftliche Realität darstellt. Der Konsum von Konsumprodukten wird werbewirksam als „Lifestile“ vermarktet, und um an den propagierten „Lifestilen“ partizipieren zu können, ist der Erwerb darauf abgestimmter Konsumprodukte erforderlich. Hier im neu entstehenden Stadtteil „Beograd na vodi“ wird in diesem Rahmen auf schier endlosen straßenbegleitenden Werbetafeln der Begriff der Kunst (Art) dekonstruiert, sein traditioneller Begriffsgehalt wird geradezu aufgelöst, um ihn zum Vermarktungszweck völlig neu zu schaffen und mit neuem Inhalt zu füllen, und es entstehen neue Begriffe, wie: „Art of Shopping“, Art of Play“, „Art of Fashion“, Art of Entertainment“ u.a.m.. In der Konsumkultur der fortgeschrittenen Industriegesellschaft sind die Menschen Opfer fremdgesteuerter Wünsche und nicht reflektierter Leidenschaften, und so unterliegen sie permanenten Manipulationen. Während in der westlichen Hälfte Europas jahrzehntelange Erfahrungen mit der Konsumkultur der fortgeschrittenen Industriegesellschaft bestehen, und es mittlerweile eine lange Tradition der Kritik an dieser gibt, auf deren Grundlage eine Alternativkultur besteht, fehlen diese Erfahrungen in der östlichen Hälfte Europas (noch) weitgehend, weswegen in der östlichen Hälfte Europas diesbezüglich weit radikalere und rasantere Entwicklungen möglich sind, die in dieser Form in der westlichen Hälfte Europas kaum durchsetzbar wären.
Am Rande der Alpen-Region
Bei meiner Weiterfahrt folge ich dem Verlauf des Flusses Sava/Save flußaufwärts, wobei ich u.a. zur Stadt Sremska Mitrovica gelange. Hier befinden sich archäologische Stätten der antiken Stadt Sirmium (174), die im Imperium Romanum die Hauptstadt der Provinz Pannonia inferior (Unter-Pannonien) gewesen war. Im Zuge der Reformen des Diokletian (reg. 284 – 305 n. Chr.) (175) wurde Sirmium im Jahre 296 n. Chr. zudem eine der vier Hauptstädte des Imperium Romanum mit einer kaiserlichen Residenz. Zu diesen vier Hauptstädten des Imperium Romanum zählten neben Sirmium zudem Trier, Thessaloniki und Nicomedia. Des weiteren ist Sirmium die Geburtsstadt mehrerer römischer Kaiser. Die archäologische Stätte des ehemaligen Kaiserpalastes in Sirmium ist heute von einer Halle überbaut, die besucht werden kann.
Meine Fahrt setzte ich entlang des Flusses Sava/Save fort und besuche bei der Stadt Vukovar das Museum der Vučedol-Kultur (176). In einer gut konzipierten und aufwändig gestalteten Ausstellung präsentiert das exzellente Museum gegliedert in Themenbereiche den aktuellen archäologischen Kenntnisstand der Erforschung der Vučedol-Kultur, die zeitgleich mit den frühen Hochkulturen in Mesopotamien und Ägypten existierte, doch von der wir derzeit noch wenig wissen. In der Stadt Vukovar befindet sich ein großer Wasserturm mit Kriegsschäden aus dem Kroatienkrieg der Jahre 1991 bis 1995, der heute ein Mahnmal ist und der eine Erinnerungsstätte zum Thema der Belagerung der Stadt Vukovar im Jahre 1991 beinhaltet (177), die ich besuche. Es stellt sich die Frage nach den Gründen und Umständen des Zerfalls des ehemaligen Jugoslavien, und warum diese Entwicklungen nach 1989/90 in Jugoslawien gewaltsam erfolgten, während diese in der übrigen östlichen Hälfte Europas vergleichsweise friedlich verliefen. Insbesondere in Südost-Europa ist nach 1989/90 eine Vielzahl kleiner Nationalstaaten entstanden, die sich nun als Nationalstaaten gegeneinander abgrenzen. Der neu entstandene Nationalismus in der östlichen Hälfte Europas konterkariert und gefährdet heute die Integration in Europa, wohingegen in der westlichen Hälfte Europas vor 1989/90 die Integration schon weit vorangeschritten war und insbesondere der Nationalismus zu großen Teilen überwunden war. Jetzt wird Europa seit 1989/90 ausgehend von der östlichen Hälfte Europas von einer neuen Welle des Nationalismus überzogen.
Weiter fahre ich nach Zagreb und dann nach Ljubljana/Laibach. Auf dem Weg ins Stadtzentrum von Ljubljana passiere ich zwei quer über die Straße verlaufende Sperren durch hydraulische Poller. Diese Sperren durch hydraulische Poller sind mittlerweile in sehr vielen Stadtzentren von Großstädten im gesamten Europa anzutreffen. Per Knopfdruck können damit in Sekundenschnelle ganze Innenstädte abgesperrt werden. Zusammen mit der mittlerweile bestehenden flächendeckenden und lückenlosen Kameraüberwachung des öffentlichen Raumes sind die hydraulischen Poller Bestandteil einer „Architektur des Ausnahmezustands“, die sich seit den Ereignissen des 11.09.2001 weltweit in unheimlicher Geschwindigkeit ausweitet. Seit den Ereignissen des 11.09.2001 wurde der Ausnahmezustand (178) zum neuen Paradigma des Regierens, und seine Imperative durchdringen alle Bereiche der Gesellschaft und ebenso die Stadtplanung und Architektur.
Über Maribor/Marburg an der Drau fahre ich weiter zum Tal der Mur und durch das klimatisch begünstigte Burgenland. Erstmalig treffe ich in Österreich wieder auf gute Fahrradwege, seitdem ich Tschechien verlassen habe. Ich gelange durch die Stadt Sopron/Ödenburg und passiere den Neusiedler See. Dann erreiche ich die Metropole Wien, und auch hier halte ich mich ein paar Tage auf zum Zweck von Stadtexkursionen und Museumsbesuchen. Da die drei Campingplätze bei Wien: Camping Wien Neue Donau, Camping Wien Süd, Camping Wien West, sowie der Campingplatz in Klosterneuburg ihren diesjährigen Saisonbetrieb schon beendet haben, quartierte ich mich in einem Hostel in Wien ein. U.a. besuchte ich in Wien das Naturhistorische Museum, das eins der größten naturhistorischen Museen der Welt ist, das Technische Museum und das Weltmuseum. Danach folgte ich dem Donau-Radweg (= Eurovelo 6). In der Stadt Tulln hat ein Denkmal am Donauufer die Nibelungensage (179) zum Thema, wobei die Begegnung von Kriemhild mit Hunnenkönig Attila/Etzel dargestellt ist. Ich passiere die Stadt Krems und gelange zur Burg Dürnstein. Hier ist das Zeitalter der Kreuzzüge präsent, denn in der Burg Dürnstein wurde König Richard Löwenherz (180), der vom 3. Kreuzzug zurückkehrte, von Dezember 1192 bis März 1193 gefangen gehalten. Erst nach der Zahlung eines Lösegeldes in Höhe von 100.000 Mark Silber, was etwa dem damaligen Staatshaushalt des Königreichs England von zwei Jahren entspricht, wurde er wieder freigelassen. Mit diesem Geld wurde u.a. der Bau der Stadtmauern der Stadt Wien (181) finanziert. Weiter fahre ich zur Stadt Linz und erreiche dann die Stadt Passau, von wo aus ich mit der Regionalbahn nach Berlin zurückfahre. Am 27. November 2023 endet nach 8850 km Fahrradfahrt meine Fahrradreise durch das südöstliche Europa.
Anmerkungen:
1) Eine gute Planungsgrundlage für Fahrradreisen bieten die folgenden Fahrrad-Reiseführer:
Herbert Lindenberg: Europa per Rad. Markgröningen, 8. Auflage 2022 (Reise Know-How Verlag).
Thomas Schröder, Helmut Hermann: Fahrrad Weltführer. Markgröningen, 4. Auflage 2016 (Reise Know-How Verlag).
Neil Pike, Harriet Pike: Adventure Cycle-Touring Handbook. Worldwide Cycling Route & Planning Guide. Hindhead (Surrey), 3. Auflage 2015 (Trailblater Publications).
2) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Donauradweg_(D6)
sowie: https://de.wikipedia.org/wiki/EuroVelo
3) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Elberadweg_(D10)
4) Vgl.: Friedjof Nansen: Freiluftleben. 1920, Leipzig. Vor dem Hintergrund der soeben erfolgten Zivilisationskatastrophe des Ersten Weltkrieges stellt Friedjof Nansen (1861-1930) in Anlehnung an Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) mit „Friluftsliv“ (Freiluftleben) sein Konzept eines einfachen, naturverbundenen Lebens vor, das dazu beitragen soll, die geistigen Grundlagen und Werte der europäischen Kultur zu erneuern. Meine methodische Praxis verstehe ich als eine Weiterentwicklung und Erweiterung dieses Konzeptes.
5) Vgl: Thomas S. Kuhn: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. Frankfurt am Main, 1967. Kuhn vertritt die These, daß sich der Fortschritt in der Wissenschaft nicht durch kontinuierliche Veränderung vollzieht, sondern durch revolutionäre Prozesse, wobei im Rahmen eines „Paradigmenwechsels“ ein bisher geltendes Erklärungsmodell verworfen wird und durch ein anderes ersetzt wird.
6) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Erlebnispädagogik
7) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Berliner_Mauerweg
8) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Gruppe_der_Sowjetischen_Streitkräfte_in_Deutschland
sowie: https://de.wikipedia.org/wiki/Sowjetarmee
9) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Zwei-plus-Vier-Vertrag
sowie: https://de.wikipedia.org/wiki/Aufenthalts-_und_Abzugsvertrag
10) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/KSZE
11) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Charta_von_Paris
12) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Warschauer_Pakt#Auflösung
13) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/NATO-Osterweiterung#Kontroversen
14) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Preußisch-Österreichischer_Krieg
sowie: https://de.wikipedia.org/wiki/Preußisch-österreichischer_Dualismus
15) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Schlesische_Kriege
16) Vgl.: https://www.muzeumhk.cz/muzeum-valky-1866
17) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Spanische_Grippe
18) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Altvatergebirge
19) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Sudeten
20) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Schneekoppe
21) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Riesengebirge#Naturschutz
22) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Wald-_und_Baumgrenze
23) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Fjell
24) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Potenzielle_natürliche_Vegetation
25) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Höhenstufe_(Ökologie)
26) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Laubwald
27) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Bergwald
28) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Waldsterben
29) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Sukzession_(Biologie)
30) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Wald
31) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_des_Waldes_in_Mitteleuropa
32) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Forstwirtschaft
33) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Biozönose
34) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Monokultur
35) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Forst
Und: https://de.wikipedia.org/wiki/Wirtschaftswald
Sowie: https://de.wikipedia.org/wiki/Plantage
36) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Biodiversität
37) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Aussterben#Aktuelle_Situation
38) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Anthropozän
39) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Massenaussterben#Das_gegenwärtige_Massenaussterben
40) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Waldschäden
41) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Instrumentelle_Vernunft
Sowie: Max Horkheimer: Zur Kritik der instrumentellen Vernunft. 1974, Frankfurt am Main. Die instrumentelle Vernunft und ihre Kritik bildet die analytische Schlüsselkategorie der Kritischen Theorie der vom Sozialphilosophen Max Horkheimer (1895-1973) begründeten Frankfurter Schule, die auf Grundlage interdisziplinärer geistes- und gesellschaftswissenschaftlicher Analysen eine Synthese von Gesellschafts- und Kulturkritik leistet.
Und: https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Horkheimer#Kritik_der_instrumentellen_Vernunft
42) Vgl.: Zur Geschichte der weltweiten Ausweitung der Monokulturen vgl.: Florian Hurtig: Paradise Lost. Vom Ende der Vielfalt und dem Siegeszug der Monokultur. 2020, München.
43) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Wirtschaftswachstum
44) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Konsumgesellschaft
45) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Maslowsche_Bedürfnishierarchie
46) Siehe: Erich Fromm: Haben oder Sein. Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft. 1979, München. S. 168-169. In seiner Analyse der Konsumgesellschaft, die zu einem Klassiker der Konsumkritik geworden ist, entwirft Erich Fromm das Modell einer neuen Gesellschaft, die auf die Erfordernisse des nicht-entfremdeten, am Sein orientierten Individuums ausgerichtet ist.
Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Erich_Fromm
47) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Wachstumszwang
48) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Wachstumskritik
49) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Grünes_Wachstum
50) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Stationäre_Wirtschaft
51) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Subsistenzwirtschaft
52) Vgl.: https://www.szm.cz/de
53) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Hultschiner_Ländchen
54) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Oberschlesien
55) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Landkreis_Leobschütz
Teil des Landkreises Leobschütz ist die Stadt Katscher/Kietrz:
Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Kietrz
Dort hatte die Familie meines Vaters Wolfgang Suchan (1920-2011) einen Bauernhof, den sie im Zuge der Ethnischen Säuberungen im Jahre 1945 verlassen mußte.
56) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Landkreis_Ratibor
57) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Volksabstimmung_in_Oberschlesien
58) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Interalliierte_Regierungs-_und_Plebiszitskommission_für_Oberschlesien
59) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Völkerbund#Scheitern
60) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Vielvölkerstaat
61) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Österreich-Ungarn
62) Siehe: Philipp Ther: Die dunkle Seite der Nationalstaaten. ‚Ethnische Säuberungen‘ im modernen Europa. 2012, Bonn. S. 52.
63) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/František_Palacký
64) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Tomáš_Garrigue_Masaryk
65) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Tschechoslowakischer_Nationalrat
66) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Edvard_Beneš
67) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Das_neue_Europa
68) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Vorläufige_tschecho-slowakische_Regierung
69) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Tschechoslowakische_Unabhängigkeitserklärung
70) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Ostmitteleuropa
71) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Zwischeneuropa
72) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Friedensvertrag_von_Versailles
73) Siehe: Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft. 2022, München. S. 569.
74) Siehe: Ebenda. S. 567-568.
sowie: https://de.wikipedia.org/wiki/Zwischenkriegszeit#Bewaffnete_Auseinandersetzungen
76) Siehe: Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft. 2022, München. S. 571.
77) Siehe: Karl Schlögel: Bugwelle des Krieges. S. 185-186. In: Stefan Aust, Stephan Burgdorff (Hg.): Die Flucht. Über die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten. 2003, Bonn. S. 179-196.
78) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Tschechoslowakei
79) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Tschechoslowakismus
80) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_in_der_Ersten_Tschechoslowakischen_Republik
81) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Sudetendeutsche
82) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Willensnation
83) Siehe: Rudolf Jaworski: Die Sudetendeutschen als Minderheit in der Tschechoslowakei 1918-1938. S. 34-35. In: Wolfgang Benz (Hg.): Die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten. Ursachen, Ereignisse, Folgen. 1995, Frankfurt am Main. S. 33-44.
84) Siehe: Alfred Maurice de Zayas: Die Anglo-Amerikaner und die Vertreibung der Deutschen. 1981, München. S. 49-50.
85) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Sudetenkrise
86) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Münchner_Abkommen
87) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Zerschlagung_der_Tschechoslowakei
88) Siehe: Peter Glotz: Die Vertreibung. Böhmen als Lehrstück. 2003, München. S. 120-121.
89) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Chronologie_des_Zweiten_Weltkrieges
https://de.wikipedia.org/wiki/Vorgeschichte_des_Zweiten_Weltkrieges_in_Europa
https://de.wikipedia.org/wiki/Vorgeschichte_des_Zweiten_Weltkrieges_im_Pazifikraum
https://de.wikipedia.org/wiki/Zweiter_Weltkrieg
90) Vgl.: https://www.muzeum-hlucinska.cz
91) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Cieszyn
sowie: https://de.wikipedia.org/wiki/Olsagebiet
92) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_geteilter_Orte
93) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Siebenbürgen
94): Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Gründungsstadt#Gründungsstädte_des_Mittelalters
95) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Siebenbürger_Sachsen
96) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Cluj-Napoca
97) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Matthias_Corvinus
98) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Mihai_Viteazul
99) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Romulus_und_Remus
sowie: https://de.wikipedia.org/wiki/Kapitolinische_Wölfin
100) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Schäßburg
101) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/UNESCO-Welterbe
102) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Bedrohte_Sprache
sowie: https://de.wikipedia.org/wiki/Sprachtod
103) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Kulturökologie#Biokulturelle_Diversität
104) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Hermannstadt
105) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Kulturhauptstadt_Europas
106) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Muzeul_Civilizației_Populare_Tradiționale_"ASTRA"_din_Sibiu
107) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Ethnische_Säuberung
108) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Deportation
109) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Vertreibung
110) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Nationalstaat
sowie: https://de.wikipedia.org/wiki/Nation
111) Siehe: Ulrich Beck, Edgar Grande: Das kosmopolitische Europa. 2004, Frankfurt am Main. S. 23.
112) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Sarmizegetusa_Regia
113) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Ulpia_Traiana_Sarmizegetusa
114) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/World_Press_Photo
sowie: https://www.worldpressphoto.org/
115) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Reporter_ohne_Grenzen
116) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Rangliste_der_Pressefreiheit
117) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Kategorisierung_(Kognitionswissenschaft)
118) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Klassifizierung
119) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Osmanisches_Reich
120) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Geographie_Europas#Größe,_Grenzen_und_Lage
121) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Herodot
122) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Theodosianische_Mauer
123) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Plünderung_Roms_(410)
und: https://de.wikipedia.org/wiki/Untergang_des_Römischen_Reiches
sowie: https://de.wikipedia.org/wiki/Völkerwanderung
124) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Konstantinopel
sowie: https://de.wikipedia.org/wiki/Belagerungen_und_Eroberungen_von_Konstantinopel
125) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Eroberung_von_Konstantinopel_(1204)
sowie: https://de.wikipedia.org/wiki/Vierter_Kreuzzug
126) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Republik_Venedig
sowie: https://de.wikipedia.org/wiki/Seerepubliken
127) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Lateinisches_Kaiserreich
sowie: https://de.wikipedia.org/wiki/Rückeroberung_von_Konstantinopel_1261
128) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Eroberung_von_Konstantinopel_(1453)
129) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Mehmed_II.
130) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Festung#Geschichte_der_neuzeitlichen_Festung
und: https://de.wikipedia.org/wiki/Zitadelle
sowie: https://de.wikipedia.org/wiki/Bastion
131) Die Fortifikationswissenschaft erreichte im Zeitalter des Absolutismus insbesondere durch das Werk von Sébastian Le Prestre de Vauban (1633-1707) einen Höhepunkt.
Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Sébastien_Le_Prestre_de_Vauban
132) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Absolutismus
133) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Merkantilismus
134) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Handelskompanie
135) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Britische_Ostindien-Kompanie
136) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Niederländische_Ostindien-Kompanie
137) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Französische_Ostindienkompanie
138) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Megastadt
139) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Lebensreform
140) Vgl.: Ernst Fraenkel: Der Doppelstaat. Frankfurt am Main, 1984. In seiner im Jahre 1941 erstmals erschienenen Analyse des NS-Staates unterscheidet Fraenkel die Parallesexistenz eines weiterhin fortbestehenden „Normenstaates“ neben einem errichteten „Maßnahmenstaat“ zur extralegalen Machtentfaltung und willkürlicher, enthemmter Gewaltausübung. Tatsächlich sind derartige Strukturen in unterschiedlicher Ausprägung nahezu überall anzutreffen, sodaß das Potential von Fraenkels Modell des „Doppelstaats“ (Dual State) für die Gegenwartsanalyse weitgehend ungenutzt brach liegt. Als ein Beispiel unter weiteren können die USA nach dem 11.09.2001 aufgeführt werden, die in der Folgeentwicklung Strukturen eines „Doppelstaates“ (Dual State) ausgebildet haben.
141) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Überwachungsstaat
sowie: https://de.wikipedia.org/wiki/PRISM
142) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Tirilye
143) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Bevölkerungsaustausch_zwischen_Griechenland_und_der_Türkei
sowie: https://de.wikipedia.org/wiki/Griechenverfolgungen_im_Osmanischen_Reich_1914-1923
144) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_von_Lausanne
145) Siehe: Philipp Ther: Die Außenseiter. Flucht, Flüchtlinge und Integration im modernen Europa. 2017, Berlin. S. 90.
146) Siehe: Alfred Maurice de Zayas: Die Anglo-Amerikaner und die Vertreibung der Deutschen. 1981, München. S. 19.
Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Nemesis_von_Potsdam
147) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Armenier_in_der_Türkei
sowie: https://de.wikipedia.org/wiki/Völkermord_an_den_Armeniern
des Weiteren: https://de.wikipedia.org/wiki/Völkermord_an_den_Assyrern_und_Aramäern
148) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Nationenbildung
149) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Südosteuropa
150) Siehe: Holm Sundhausen: Staatsbildung und ethnisch-nationale Gegensätze in Südosteuropa. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. 53. Jahrgang, B 10-11/2003, 03. März 2003. S. 5.
151) Siehe: Ebenda: S. 5.
152) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Balkankriege
153) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Griechisch-Türkischer_Krieg
154) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Jugoslawienkriege
155) Siehe: Karl Schlögel: Bugwelle des Krieges. S. 179. In: Stefan Aust, Stephan Burgdorff (Hg.): Die Flucht. Über die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten. 2003, Bonn. S. 179-196.
156) Stilprägend für die nationalistische europäischen Gedenk- und Erinnerungskultur ist das Genre des „säbelschwingenden Reiterstandbildes“, das die europäischen Erinnerungslandschaften prägt und das sich insbesondere in den europäischen Hauptstädten konzentriert. Die Gewalterfahrung und die Menschenopfer im Krieg werden zum prägenden kollektiven Identifikationsmythos der Nation, der die Nation zur Machtbehauptung gegen den äußeren Feind zusammenschweißt. Kriegerdenkmäler und Totenkult bilden das Identifikationszentrum der Nationalkultur, deren primäre Aufgabe es ist, die Bereitschaft der Bürger zum zukünftigen Opfertod zur Machtbehauptung der Nation zu fördern. Dieses Erscheinungsbild der öffentlichen Gedenk- und Erinnerungskultur und ihrer Ikonografie ist eine spezifische europäische Besonderheit auf Grundlage der kulturellen Hegemonie der Idee des Nationalismus in Europa als einem Produkt des Zeitalters der Moderne. Zentrum und Periferie der europäischen Erinnerungslandschaften unterscheiden sich diametral: Während in den Hauptstädten mit opulenten Denkmälern heroische Siege gefeiert werden und zur nächsten Schlacht mobilisiert wird, um Ruhm, Ehre und Größe der Nation zu vermehren, werden im ländlichen Raum in nahezu allen Dörfern mit Mahnmalen die Kriegstoten betrauert.
157) Siehe: Eric J. Hobsbawm: Nationen und Nationalismus. Mythos und Realität seit 1780. 2005, Bonn. S. 213. In seiner Analyse zur Geschichte der Nationen und des Nationalismus, die mittlerweile ein Klassiker der Geschichtswissenschaft ist, vertritt Hobsbawm die These: „Ein ethnisch und/oder sprachlich begründeter Nationalismus, der für jede ‚Nation‘ einen eigenen souveränen Staat anstrebt, ist als allgemeines Programm nicht praktikabel, ist für die politischen und selbst für die ethnischen und sprachlichen Probleme der Welt am Ausgang des 20. Jahrhunderts irrelevant und hat mit hoher Wahrscheinlichkeit schlimme Folgen, wenn tatsächlich der Versuch unternommen wird, ihn in die Praxis umzusetzen.“
158) Siehe: Hans-Ulrich Wehler: Nationalismus. Geschichte, Formen, Folgen. 2001, München. S. 108.
159) Siehe: Jürgen Habermas: Vom Sinn und Unsinn nationaler Selbstbestimmung. S. 193-194. In: Derselbe: Zum Verhältnis von Nation, Rechtsstaat und Demokratie. S. 190-195. In: Derselbe: Politische Theorie (= Philosophische Texte Band 4). 2009, Frankfurt am Main. S. 176-208.
160) Siehe: Alfred Verdross, Bruno Simma: Universelles Völkerrecht. Theorie und Praxis. 1976, Berlin. S. 255.
161) Siehe: Jürgen Habermas: Vom Sinn und Unsinn nationaler Selbstbestimmung. S. 197-198. In: Derselbe: Zum Verhältnis von Nation, Rechtsstaat und Demokratie. S. 190-195. In: Derselbe: Politische Theorie (= Philosophische Texte Band 4). 2009, Frankfurt am Main. S. 176-208.
162) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Piri_Reis
163) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Karte_des_Piri_Reis
164) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_der_Große
165) vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Alexanderreich
166) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Museum_für_byzantinische_Kultur_Thessaloniki
167) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Aristoteles
168) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Viminatium
169) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Erste_Wiener_Türkenbelagerung
sowie: https://de.wikipedia.org/wiki/Zweite_Wiener_Türkenbelagerung
und: https://de.wikipedia.org/wiki/Türkenkriege
170) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Belgrad
171) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Charta_von_Athen_(CIAM)
172) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Chandigarh
173) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Novi_Beograd
174) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Sirmium
175) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Diokletian
176) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Vučedol-Kultur
177) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Wasserturm_von_Vukovar
sowie: https://de.wikipedia.org/wiki/Kroatienkrieg
178) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Ausnahmezustand
179) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Nibelungensage
sowie: https://de.wikipedia.org/wiki/Völkerwanderung
180) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Löwenherz
181) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Wiener_Stadtmauern
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